„Wir sind ja schon da!“ – Interview mit Ole Schnack, Herausgeber und Gründer des Reisemobil-Stellplatzführers „Landvergnügen“

Landvergnügen (c) Ole Schnack
Landvergnügen (c) Ole Schnack

Wer im StadtWaldKind-Blog im Frühjahr, Sommer und Herbst unseren Reiseerlebnissen mit dem Wohnmobil gefolgt ist, hat vielleicht das ein oder andere Mal etwas von unseren Erfahrungen mit dem Stellplatzführer „Landvergnügen“ gelesen. Für alle, die sich für das mobile Reise interessieren und mit dem Gedanken spielen, einmal in Deutschland von Hof zu Hof zu tingeln, dürfte das Interview mit Ole interessant sein. Denn Ole ist der Ideenproduzent von „Landvergnügen“. Als er 2012 mit seiner Familie in einem VW LT 28 Karmann von 1986 in Frankreich unterwegs war und mit dem dort etablierten Stellplatzführer ‚France Passion’ als Gast bei ausgewählten Landwirten die traumhaften Flecken des Landes entdeckte, war Ole sofort klar, dass er dieses Konzept nach Deutschland tragen muss. Denn die Zahl der Wohnmobilreisenden steigt – immer mehr Menschen entdecken für sich diese Art des entschleunigten, selbstbestimmten Reisens mit inspirierenden Erlebnissen und Begegnungen in der Natur.

Lieber Ole, was hat Dich dazu inspiriert den Stellplatzführer „Landvergnügen“ herauszubringen?

Landvergnügen (c) Ole Schnack
Ole Schnack mit Familie (c) Ole Schnack

Anfang 2012 bin ich bei der Planung einer Wohnmobilreise zufällig auf den Stellplatzführer und Erfinder der Konzeptidee des Andersreisens „Passion France“ gestoßen. Da ich der Meinung bin, dass Spontaneität gut geplant sein muss, habe ich lange vorher recherchiert, was wir auf einer solchen Reise machen könnten, wenn man wie ich keine Lust hat lange auf Campingplätzen zu stehen. Und als ich in einem Internetforum auf „France Passion“ stieß, dachte ich mir, dass probier ich doch mal!
Zudem bin ich ein „Foodie“ und klassischer „Slow Food Fan“ wie man so schön auf Neudeutsch sagt, also ein Nahrungsmittel begeisterter Mensch. Ich steh’ auf gutes Essen, das handwerklich einfach und gleichzeitig gut gemacht ist. Damit meine ich nicht, dass Nahrungsmittel unbedingt Bio sein müssen, um sie so großartig zu finden. Auch Kleinst- und Kleinbetriebe können großartige Produkte herstellen, die kein Bio-Siegel haben und trotzdem „Bio“ produzieren.
Meine Vorstellung war im Jahr 2012 mit meiner Familie nach Frankreich zu fahren. Dabei wollte ich nicht nur an den Atlantik und dort am Strand abzuhängen. Sondern ich hatte die Vorstellung ins Landesinnere von Frankreich zu fahren und dort von Markt zu Markt zu tingeln und mich dort dem französischen „Savoir Vivre“ und der französischen Kultur kulinarisch zu beglücken und dabei meine Familie mitzunehmen. Dafür war der französische Stellplatzführer „Passion France“ ideal.

Erzähl mir bitte die Gründungsgeschichte von „Landvergnügen“.

Landvergnügen Hof Alt-Domigk Baruth (c) Ole Schnack
Landvergnügen Hof Alt-Domigk Baruth (c) Ole Schnack

Ich sehe mich ein wenig als „Heat seeking Rocket“. Das bedeutet, ich suche immer nach guten Ideen, hinterfrage jedes Geschäftsmodell und mache mir Gedanken darüber, warum etwas funktioniert oder eben nicht und was ich daran verändern würde. Als ausgebildeter Marketing-Fuzzi habe ich lange in der Werbung gearbeitet. Aber ich hatte irgendwann keine Lust mehr, anderer Leute Träume zu verkaufen und wollte gerne meine eigenen Sachen machen. In Frankreich fand ich mit „Passion France“ das, wonach ich suchte. Gleich nach unserer Frankreich-Reise habe ich mir deshalb die Genehmigung meiner Frau eingeholt mich selbständig zu machen und in 2012 angefangen einen Business-Plan zu schreiben. Dann habe ich begonnen Kontakte mit Interessensvertretern aus der Landwirtschaft zu knüpfen. Als ich meiner Testmarkt-Analyse merkte, dass mein Vorhaben klappen könnte, habe ich Geld dafür gesucht. Denn für solch eine Unternehmung braucht man sehr viel Geld. Allerdings wollte sich keine Bank daran beteiligen, keine wollte mitmachen, alle haben abgewunken. Deshalb musste ich aus eigener Kraft anfangen und irgendwie sehen, dass meine Idee funktioniert. Die so genannte „Sead-Phase“, also die Produktentwicklung, musste ich mit meinem Eigenkapital finanzieren. 2013 habe ich einen guten alten Freund, Yves Kreil, von mir ins Boot geholt, der ein großartiger Kommunikator ist. Am Ende haben wir mit der Hilfe von über 60 verschiedenen Interessensvertetern, darunter viele Slow-Food-Anbieter und Vertreter von Brauereiverbänden sowie Winzergenossenschaften und Feinschmecker-Netzwerke, deren Mitglieder eingeladen, sich bei uns zu bewerben. Wir haben ein ganz klassisches Direct-Mailing hinterher geschickt und wahnsinnig viele Telefonate geführt. Wir waren auf Feinschmeckermessen, wir haben mit den Bauern geredet.  Dennoch fehlte mir immer noch Geld für die Umsetzung, weil ich kein Start-up war, welches durch die Bank finanziert wurde. Dann kam ich auf die Idee, um meine Unternehmung zu starten! Ich habe die Menschen, die am Anfang mit mir zusammen gearbeitet haben, wie Grafiker, Programmierer, Journalisten, Presseleute und Texter, gefragt, ob sie einen Teil ihres Honorars in meinen kleinen Verlag  „Landvergnügen“ anlegen würden. Ich bin dann noch weiter gegangen und habe private Investoren gefunden, die meine Idee gut fanden und darin Geld angelegten. So war es mir dann in 2014 möglich die erste Ausgabe herauszubringen. Allerdings war es mir bis zum Schluss nicht klar, ob wir das hinbekommen würden oder nicht.

Wie viele Höfe sind im Stellplatzführer „Landvergnügen“ vertreten und wie seid Ihr auf diese Höfe aufmerksam geworden?

2014 waren es 239, in 2015 sind es 369 und im Jahr 2016 sollen es 500 regionale Produzenten sein. Uns war es dabei von Anfang an wichtig die kulinarische Vielfalt Deutschlands zu präsentieren. Vom Allgäu bis hoch zur Nordsee möchten wir ein bundesweites Netzwerk anbieten. Deshalb haben wir strategisch in die Flächen stärker kommuniziert aus denen wir mehr Gastgeber brauchten. Ich habe zwar viele Produzenten mit dem Wohnmobil besucht, aber da ich natürlich nicht alle selbst anfahren konnte, habe ich Unterstützung durch die sozialen Medien erhalten. Die Crowd hat also die Höfe angefahren, es gibt also keinen Ort, der nicht besucht wurde.

Landvergnügen (c) Ole Schnack
Landvergnügen (c) Ole Schnack

In welcher Geschäftsbeziehung steht Ihr mit den Produzenten?

Wir stehen im Kontakt mit den Produzenten und hören im direkten Gespräch deren Wünsche und Nöte und versucht ihnen zu helfen. Denn wir haben auch einen politischen Anspruch: Es geht uns um die Förderung von Kleinst- und Kleinbetrieben. Und dies drückt sich zum einen dadurch aus, dass unsere Betriebe für ihre Mitgliedschaft bei Landvergnügen kein Geld bezahlen. Wir verkaufen keine Anzeigen. Dadurch unterscheiden wir uns von den anderen Verlagen, die alle Anzeigen verkaufen. Ich weiß genau, dass der gastfreundliche Ziegenbauer an der polnischen Grenze, der 20 deutsche Edelziegen hat und in einer wunderschönen Umgebung herrlich schmeckenden Ziegenkäse produziert, keine 500 Euro für eine Anzeige hat. Und deswegen verzichten wir darauf.
Zum anderen sind die Betriebe alle gleichberechtigt ohne Bilder im Stellplatzführer vertreten. Das hat den Hintergrund, dass bspw. der kleine Imker in der Nordwest-Uckermark für den Reisenden ein genauso tolles Erlebnis bieten kann wie die Brauerei in Franken. Beide – der eine ist groß der andere ist klein, der hat Geld, der andere nicht – sollen gleichberechtigt präsentiert werden! In die redaktionellen Texte der einzelnen Regionen in Deutschland, die Landgeschichten, kann man sich nicht einkaufen. Das sind von uns redaktionell ausgesuchte Höfe, die wir besonders interessant finden.

Welche Orte im Berliner Umland eignen sich für kurze Wohnmobiltouren zwischendurch?

Landvergnügen (c) Ole Schnack
Landvergnügen (c) Ole Schnack

Wenn wir mit unserem Reisemobil unterwegs sind, ist unser Motto schlicht „Der Weg ist das Ziel“. Am Wochenende machen wir keine sehr weiten Strecken, da sind wir entweder direkt im Umland von Berlin, in Richtung Ostsee oder polnische Grenze unterwegs. Da gibt es einige schöne Höfe, die man besuchen kann. Ich persönlich finde den Ziegenhof zur Wolfsschlucht mit dem kleinen Gartenlokal am Oder-Neiße-Fahrradweg toll. Der Gastgeber Klaus-Bernd Günther und seine Frau, die dort mit 20 deutschen Edelziegen leben, bieten ihren Ziegenkäsespezialitäten und den Wein eines befreundeten Winzers an. Man steht dort mit dem Wohnmobil auf einer Wiese. Das ist ein Geheimtipp, den man ansonsten so nie finden würde! Einer meiner Lieblingshöfe südlich von Berlin ist ebenfalls der Milchschafhof Schafsgarbe in Vetschau/ Ogrosen. Friedhelm und Ulrike Plaß verkaufen dort ihren Schafskäse sowie Schweinefleisch aus ihrer Schweinezüchtung ab Hof und auch auf dem Chamisso Öko-Markt in Berlin. Der Gutshof ist für Kinder großartig, denn abgesehen von Streichelzoos kommen Stadtkindern ansonsten nicht in direkten Kontakt zu solchen Nutztieren. Die Kinder können – müssen aber nicht – dort auch mithelfen, indem sie zum Beispiel die Schafe raus treiben.

Welche goldenen Regeln gilt es beim Reisen mit Landvergnügen zu beachten?

Landvergnügen (c) Ole Schnack
Landvergnügen (c) Ole Schnack

Im Stellplatzführer sollte man vor der Reise nachsehen, welche Angaben der Gastgeber macht und ob er möchte, dass man vorher bei ihm anruft. Zum Beispiel sollte man sich im Stellplatzführer nachsehen, ob man dort die Toiletten benutzen darf und wie viele Reisemobile dort stehen können. Natürlich sollte man die Regeln des menschlichen Miteinanders beachten. Man ist bei den Gastgebern auf einem privaten Hof und dort eingeladen für eine Nacht kostenfrei zu stehen. Das bedeutet, Respekt vor den Menschen und ihrem Eigentum zu haben. Solch ein Hof ist kein Abenteuerspielplatz auf dem Kinder auf jedem Trecker rumklettern können oder man in jeden Stall reingehen darf. Obgleich die meisten Bauern es den Kindern gerne erlauben, sich auf einen Trecker mal raufzusetzen. Also einfach immer vorher fragen!
Die Angaben wie zum Beispiel „späteste Anreisezeit“ oder die telefonische Anmeldung ein paar Stunden im Vorfeld des Besuchs sind natürlich zu berücksichtigen. Es kann auch durchaus mal vorkommen, dass der Landwirt keine Zeit hat, Gäste zu empfangen. Das passiert aber äusserst selten. Die meisten freuen sich immer sehr über Gäste und auf Kontakt mit neuen Menschen, weil sie als hart arbeitende Landwirte nur kaum von ihrem Hof weg kommen. Und natürlich freuen sich die Gastgeber, wenn man sich durch einen Einkauf in ihrem Hofladen erkenntlich für ihre Gastfreundschaft zeigt. Man muss nichts einkaufen, aber es ist einfach ein schönes Dankeschön an sie. Und obendrein eignen sich diese Einkäufe wie ein Straußensteak, ein Hefebier, ein Edelbrand oder ein Wein auch prima als kulinarische Reiseerinnerung, die man mit Freunden Zuhause teilen kann.

Worin siehst Du beim Reisen mit einem Wohnmobil persönlich die Vorteile?

Landvergnügen (c) Ole Schnack
Landvergnügen (c) Ole Schnack

Das sind mehrere Dinge. Ganz vorne steht für mich die Spontaneität beim Reisen mit einem Wohnmobil. Ich kann dem Wetter und meinem Vorlieben hinterher fahren. Ich kann entlang fahren. Darüber hinaus hat man die Naturnähe, oftmals kann man sich die Plätze selbst aussuchen, wenn man nicht gerade auf einem großen Campingplatz steht. Für mich als Camper ist es auch ein super Vorteil, dass ich alles mitnehmen kann was ich möchte. Es findet sich immer irgendwo im Wohnmobil ein Platz fürs Schlauchboot und auch für mehr als eine Angel. Besonders für das Reisen mit Kindern ist es auch praktisch, wenn man ein richtiges Bett mit dem eigenen Kopfkissen und der Bettdecke und ein Dach übern Kopf hat, wenn es mal zwei Tage regnet. Das ist wie Camping nur mit mehr Convenience. Da ich auch gerne koche, finde ich es auch schön, eine kleine Küche habe und nicht auf einem kleinen Campingkocher das Essen zubereiten muss.

 

Mit welchem Wohnmobil-Modell reist Ihr privat?

2012 haben wir das Wohnmobil eines Freundes, ein VW Basis LTL Modell Baujahr 1986 mit Karmann Aufbau gekauft, das wir uns bereits 2010 für eine große Norwegen-Schweden Tour von ihm geliehen hatten. Wir haben also eine Patenschaft für diesen alten Herrn übernommen, der bereits auf den Namen „Leo“ getauft war. Wir haben jetzt also eine emotionale Bindung zu dem Wohnmobil. Wir lieben unser Fahrzeug, unseren Leo, der ein kleines Familienmitglied von uns geworden ist.

Wie empfinden Euer neunjähriger Sohn und Eure fünfjährige Tochter das Reisen mit dem Wohnmobil?

Ole, Jule, Jukka und Lotta Schnack (c) Ole Schnack
Ole, Jule, Jukka und Lotta Schnack (c) Ole Schnack

Beide reisen sehr gerne mit unserem Wohnmobil. Aber natürlich hören wir das gleiche wie viele andere Eltern auf Reisen „Mama, Papa, wann sind wir endlich da?“. Aber im Vergleich mit einer Autoreise empfindet man beim Reisen mit dem Wohnmobil eine Entschleunigung. Ich begegne der Frage meiner Kindern dann immer mit der Antwort, dass wir ja schon da sind! Denn wir sind ja Zuhause. Wir können anhalten oder fahren. Klar müssen die Kinder angeschnallt sein, aber wir haben ja alles dabei. Da stehen wir einfach kurz auf und holen ihnen, was sie brauchen. Nach einigen Stunden der Fahrerei hatten wir bereits öfters das Erlebnis, dass wir Eltern sofort ausstiegen, um zu sehen wo wir stehen. Wohingegen die Kinder gar nicht raus wollten. Sie kletterten viel lieber in den Alkoven und spielten dort. Für sie ist das Wohnmobil ein Rückzugsort und ein Gefühl, Zuhause zu sein.

Der Landvergnügen Stellplatzführer 2016
Der Landvergnügen Stellplatzführer 2016 (c) Ole Schnack

Verrätst Du uns, was es im nächsten Landvergnügen Stellplatzführer 2016 neues geben wird?

Es werden ungefähr 140 neue Gastgeber dazukommen, so dass wir am Ende auf etwa 500 Gastgeber bundesweit kommen werden. Es wird neue Landgeschichten geben und wir arbeiten daran, dass es Landvergnügen auch eines Tages als Ebook geben wird.

Das Landvergnügen Gastgeberverzeichnis enthält eine Vignette, mit der man mit Wohnmobil, Bulli und auch dem Wohnwagen 24 Stunden kostenlos auf den Höfen stehen darf. Landvergnügen führt Mobilreisende meist in die Natur, fernab der üblichen
Routen und bietet jede Menge Geheimtipps. Ein kurzer Anruf vorab über die Ankunftszeit beim Gastgeber genügt. Die Landwirte lassen ihre Gäste an ihrem naturnahen Alltag teilhaben und freuen sich, sie mit hauseigenen Produkten zu verköstigen.

 

 

 

Weitere Informationen

Wer mehr über Landvergnügen erfahren möchte, findet weitere Infos auf der Website: landvergnuegen.com

StadtWaldKind

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