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Ach Du meine Verschneitheit
„Wolltest Du nicht mit unserer Tochter ins Varieté?“, fragt mich mein Gatte in unserem novemberlichen Garten ganz verwundert. Ach Du meine Güte! Wer hat an der Uhr gedreht? Ich werfe die Harke in den gerade zusammen gefegten Laubhaufen und düse ins Haus. „Anziehen, Maus, wir müssen los“, rufe ich meiner Tochter zu, während ich mir die Gartenhandschuhe abstreife, meine feuerwehrroten Gummistiefel gegen schwarze Wildlederstiefelletten tausche und mir den Mantel überwerfe. Ruckzuck sind wir im Auto.
Das war mal wieder typisch für mich. Seit Wochen freuen meine Tochter und ich uns bereits auf den heutigen Nachmittag: Endlich ist Große-Tochter-Mama-Zeit und dann wird es in letzter Minute stressig. Wir düsen durch den Wald ab in die Berliner Innenstadt. Oh nein, Stau auf der Autobahn und das an einem Sonntag! Hoffentlich finden wir wenigstens rasch einen Parkplatz. Mein Wunsch erfüllt sich gleich um die Ecke der Potsdamer Straße. Noch einmal Glück gehabt. Am Sonntag ist die Potsdamer Straße in Schöneberg nicht ganz so befahren wie wochentags. Ich mag die Potse, wie wir Berliner sie nennen. Die Potse ist einfach so lebendig und abwechslungsreich. Ähnlich wie manche Straße im Wedding, nur mit mehr Flair. Unsere Wohngegend im Grünen ist hingegen sehr ruhig und von Wald und Wasser, anstatt von vielen Menschen und Geschäften geprägt. Aber auch dieses Trubelige der Potse mag ich. Es ist einfach super in Berlin zu wohnen, da hier die Gegensätze so dicht beieinander liegen! Genug Ende gesäuselt, Karre geparkt und nun nichts wie hin zum von Fahnen und Lichtern geschmückten Wintergarten.
Willkommen im Glitzer-Funkel-Reich
„Wow, Mama! Das sieht ja schön hier aus? Warum hat sich der Mann an der Tür so schick angezogen?“ Schon am Eingang vom Wintergarten Varieté kommt meine sechsjährige Tochter aus dem Staunen nicht mehr heraus. Livrierte Herren, Glitzerlicht, viel Rot und Gold an den Wänden und Decken bereits im Eingangsbereich. Die Hektik auf der Hinfahrt ist sofort vergessen. Während wir unterm Kronenleuchter am Popcorn- Quarkbällchen-, Kuchen- und Brezelstand warten, dass wir an der Reihe sind, treffen wir noch eine Bekannte und ihre dreijährige Tochter. Nebenbei werden wir vom Hausfotografen eifrig fotografiert. Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich mich in der Eile gar nicht geschminkt habe. Egal. Ich muss ja hier schließlich nicht auf die Bühne. Große blau grün schillernde Schmetterlinge an der Bar ziehen die Aufmerksamkeit meiner Tochter auf sich. Es gibt so viel zu sehen und wie sind noch nicht einmal im Saal. Der Wintergarten ist ein besonderer Ort, das merkt ein Kind natürlich sofort. Auch ich fühle mich hier wohl. Die Foyergröße ist angenehm, die Stimmung freudig.
Im Saal bestaunen wir von unserem Tisch im Parkett aus die aufwändigen Bühnenkostüme voriger Shows, die an den seitlichen Aufgängen zum Rang hinter Glas ausgestellt sind. Während mein Nachwuchs den Errdbeerkuchen und die Quarkbällchen fast im Alleingang verputzt, glitzert über uns ein Sternenhimmel. Mit dem ersten Gong steigt die Spannung meiner Tochter noch weiter: „Mama, wann geht es endlich los?“. Im Minutentakt muss ich diese Frage Countdown artig immer wieder beantworten. Bevor ich ungeduldig werde wird das Licht gedimmt, der samtene Vorhang öffnet sich und Nebel wabert heraus…
Zimt und Zauber: Die Schneekönigin
Der Wintergarten ist seit 1992 eine bekannte Berliner Institution für Jung wie Alt, für Berliner wie Touristen. Alljährlich gibt es in der Vorweihnachtszeit das Familienprogramm „Zimt und Zauber“. Dieses Jahr steht ab dem 20. November mehrmals die Woche „Die Schneekönigin“ auf dem Programm. Alle mit Anna & Elsa vorbelasteten Kinder mögen bei diesem Titel bestimmt aufhorchen und zunächst an die Disney-Story denken. Die Namen der Figuren sind sicherlich nicht zufällig gewählt und erinnern an die Story des ungleichen Schwesternpaars. Aber im Wintergarten geht es in diesem Stück um nichts weniger als um das Zusammentreffen vieler unterschiedlicher Märchenfiguren – und die Freundschaften, die sich teilweise unter ihnen entwickeln.
Anna sucht ihren Freund Kai, mit dem sie gemeinsam zum Schlittenfahren verabredet ist. Doch dieser wurde von der wunderschönen aber eiskalten Schneekönigin entführt. Ein Glück trifft die verzweifelte Anna bald auf die selbstbewusste und ungestüme Schneedame Olivia, die praktisch jeden kennt und gerne über den Haufen rollt. Gemeinsam machen sie sich ein Jahr lang auf die Suche nach Kai. Während ihrer Reise zum Nordpol, die immer wieder von beeindruckenden Akrobatikshows des Kinderzirkus CABUWAZI-Springling sowie von mitreißenden Songeinlagen der Hauptdarsteller begleitet wird, durchstehen Anna und die charmante Schneedame Olivia zusammen wilde Abenteuer.
Ich schaue immer wieder zu meiner Tochter hinüber. Vor Vorstellungsbeginn wollte sie noch lieber am Tisch neben mir sitzen und nicht mir gegenüber. Nun bin ich vollends abgemeldet. Ihre Augen leuchten nur noch für die Bühne.
Adressen und weitere Informationen
Wintergarten Berlin
Wintergarten Berlin
Potsdamer Straße 96
10785 Berlin