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Ein Spaziergang durchs Stadtzentrum von Lille
Wir sind in der Präfektur des Départements Nord und der Hauptstadt der Region Hauts-de-France, in Lille, angekommen. Sie liegt nah an der belgischen Grenze und wird daher auch als Hauptstadt von Flandern bezeichnet. ganz schön viele Titel. In der circa 230.000 Eihnwohner Metropole passen wir natürlich mit dem dicken Wohnmobil in kein Parkhaus. Aber wir finden nach einiger Suche in der Nähe des Hauptplatzes „Place du Général de Gaulle“ einen Parkplatz (wieder mit Parkgebühr). Super! Die Sonne scheint und die charmante Stadt, belohnt uns für unser Durchhaltevermögen auf Belgiens Straßen. Selbst meinem kränkelnden Gatten geht es etwas besser. Zumindest kann er einen knallbunten Macaron essen, von denen wir in einem hübschen Laden gleich mehrere kaufen. Macaron ist ein französisches Baisergebäck aus Mandelmehl, das in knallbunten Farben daher kommt und sich auch in Städten wie Berlin mittlerweile zunehmender Beliebtheit erfreut. Nach einer Shoppingattacke mit meiner sechsjährigen Tochter, die meinem Mann zu lange dauert, verputzen wir unser Mittagessen am Brunnen mit der Säule der Göttin auf dem Fußballfeld großen Grand Place bzw. Place Général de Gaulle, der übrigens in Lille am 22.11.1980 geboren wurde. Die Stadt hat ein Museum in seinem Geburtstagshaus eingerichtet, das wir allerdings nicht aufsuchen.
Wir blicken um uns und können bis auf ein Eckgebäude nur schöne Prachtbauten entdecken. Vor allem die Alte Börse („Vieille Bourse“) hat es uns angetan. In ihrem wunderschönen Innenhof findet jeden Nachmittag bis auf Montags ein kleiner Trödelmarkt statt. Allerdings gibt es dort nach unserem Empfinden eher nur Ramsch.
Das Opernhaus eine Ecke weiter ist ein Blickfang. Wir schlendern durch das Vieux-Lille zur Kathedrale von Lille. Auf dem Weg dorthin schlecken die Kinder ihr überteuertes Eis (2,50 Euro pro Kugel!) auf. Die Westfassade der Kathedrale, durch deren Eingang wir das Bauwerk betreten, besteht aus einem durchscheinenden Naturstein, so dass sie von innen wie erleuchtet aussieht.Von außen ist die Kathedrale eine Mischung auf Neugotik und Moderne.
In der Nähe des Altars leuchten einige Kerzen, die unsere zweijährige Tochter an einen Geburtstag erinnert. Wir laufen durch schmale Gassen und an hübschen kleinen individuellen Geschäften zurück in Richtung Wohnmobil. Die Stadt Lille gefällt uns sehr gut. Wir würden gerne länger bleiben, aber unsere zweijährige Tochter und mein immer noch leicht angeschlagener Mann brauchen eine Pause.
Leider befindet sich das berühmte Kunstmuseum „Lille Palais des Beaux-Art“ mit seinen Kunstwerken von Rubens, Picasso oder Goya etwas außerhalb, zumindest für eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Mit dem Auto bzw. Wohnmobil würde es zwölf Minuten bis zum Museum dauern. Auch das für 50.000 Zuschauer in Jahr 2012 eröffnete Sportstadion „Stade Pierre Mauroy“ würde ich mir gerne mal anschauen. Es ist mit der Metro gut zu erreichen. Aber unsere Kleine ist wie gesagt müde und braucht nun ihren verdienten Mittagsschlaf. Diese Zeit nutzen wir lieber um uns einen Stellplatz in der südlich von Lille gelegenen Stadt Lens zu suchen.
Unser Frittenbuden-Stellplatz in Lens
Hamburger und Frittenduft wehen zu uns herüber. Kein Wunder, denn unser Wohnmobil steht auf einem kostenfreien Stellplatz (Strom und Wasser kann man an einem Automaten beziehen und bezahlen), der sich neben McDonalds befindet. Wie praktisch. Somit ist die Frage zum Thema Nachmittagssnack für unsere Kinder gelöst und obendrein haben wir eine extra Toilette. Eine Portion „Frites petites“ (kleine Portion Pommes frites) reicht um den Hunger der Kinder bis zum Abendessen zu stillen.
Wir haben übrigens den vorletzten der insgesamt sechs Plätze für Wohnmobile belegt, weil es ansonsten in Lens keine weiteren Stellplätze zu geben scheint. Wir sind hier die einzigen Wohnmobilisten aus Deutschland. Die anderen haben französische Kennzeichen. Auf einen Strom- und Wasseranschluss verzichten wir. Unsere Batterie sorgt für Energie für Licht und die Wasserpumpe. Gas ist sowie immer dabei. Unsere zwei elf Kilogramm Gasflaschen sind in einem separaten Gaskasten, den man von außen erreichen kann und würden für fast zwei Monate Kochen und Kühlschrank ausreichen. Momentan verfügen wir über noch eine volle Ersatzflasche. Das wird wohl genügen, so dass wir nicht darauf angewiesen sind eine französische Flasche zu kaufen, die man leer nur in Frankreich wieder zurückgeben kann.
Der Louvre Lens
Wir machen uns frisch, verbarrikadieren unser Gefährt und laufen am verschlossenen Stadion Félix-Bollaert-Delelis, wo vor etwa zwei Monaten noch die Fußball-Europameisterschaft tobte, in Richtung Louvre vorbei. Ja, richtig, Louvre! Nein, ich habe mich weder verschrieben, noch haben wir uns verfahren. Seit dem 12.12.12 hat der Pariser Louvre einen Ableger in Lens. Auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche wurde für 150 Millionen Euro dieses moderne aus fünf Teilen bestehende Gebäude errichtet. Bereits seit fast vier Jahren will ich dieses Museum besuchen und nun ist der Tag endlich gekommen!
Die riesige gläserne Eingangshalle erinnert uns beim Betreten an ein Flughafenterminal. Unsere Tasche wird durchleuchtet, wir laufen durch einen Detektor. Wir piepen nicht. Aber das auch nur, weil mein Mann in dem proportional zu den Fahrtagen zunehmenden Chaos des Wohnmobils sein Taschenmesser nicht fand. Andernfalls wäre er vermutlich kostenfrei zurück nach Deutschland geschickt worden, weil er es ansonsten in die Hosentasche gesteckt hätte.
Wir können natürlich mit Kindern nicht lange in einem Museum bleiben und freuen uns deshalb über den kostenfreien Eintritt der ständigen Ausstellung in der „Galerie du Temps“. In einem Kurzabriss werden hier anhand von etwas mehr als 200 Exponaten die drei wichtigen Epochen aus unterschiedlichen Zivilisationen dargestellt. Wir laufen an bunten Sarkophagen, an Reihen von hübschen kleinen türkisen Grabwächtern, an riesigen Gemälden und marmornen Statuen vorbei. Die Informationen zu den Werken sind leider nur auf französisch, englisch und holländisch. Wahrscheinlich kommen deutsche Tourismus prozentual weniger hierher. Egal, ich versuche meiner Großen so gut es geht, etwas zu den sie interessierenden Objekten zu erzählen, was nicht immer einfach ist.
Danach mache ich einen Abstecher in den nebenan liegenden „Pavillon de verre“ (Glaspavillon) um mir die drei Ausstellungsrondelle über den ansässigen Fußballverein Racing Club der Lens (RC Lens) anzusehen. Die Devotionalien sind sehr liebevoll aufbereitet.
Als ich zurück in die Galerie du temps komme, ist unsere Kleine derweil zu neuem Leben erwacht und nutzt die Aluminium verkleidete Ausstellungshalle als Rennstrecke und die am Boden befindlichen Lüftungsgitter (oder was es auch immer sein mag) als Sprungbretter, weil sie so schön scheppern. Es ist Zeit zu gehen, bevor wir rausgeschmissen werden. Doch vorher muss ich noch etwas erledigen! Im Museumsshop gebe ich das beim Eintritt eingesparte Geld wieder aus. Diese Art von Geschäften ist immer gefährlich für mich.
Im Galopp nach Lens Cité
Mit einem so eben erworbenen 50 Zentimeter langen bunten Radiergummiband spielen unsere Kinder Pferdchen. Unsere Kleine wird in „Schneller Blitz“ umgetauft und flitzt ihrem neuen Namen ganz entsprechend nur so durch den schicken Museumsgarten, vorbei am Museumsrestaurant und an den ehemaligen Häusern der Bergarbeiter entlang. Die kleinen Klinkerhäusschen stehen größtenteils leer. Plakate im ersten Stock erzählen auf französisch kurze Geschichten zu ihren ehemaligen Mietern: Die Hausbewohner wurden rausgeschmissen, weil die Häuser demnächst in ein Vier Sterne Hotel umgebaut werden sollen, wie wir von einem Mitarbeiter des Tourismusbüros erfahren. Der junge Mann spricht neben französisch perfekt deutsch und gibt uns mit einem kleinen Handwagen voller Flyer obendrein Ausflugstipps für die Umgebung. Was für ein Service. Ich bin begeistert!
Die Kinder spielen immer noch unermüdlich Pferdchen. Doch auf den Wegen vor dem Stadion liegt so manche Hinterlassenschaft des Fußballspektakels in Form von braunen Glasscherben, so dass wir etwas aufpassen müssen wohin Sie galoppieren. Weil wir Hunger haben und ein paar Lebensmittel brauchen, laufen wir am Stadion und unserem Stellplatz wieder vorbei, durch einen kleinen Park mit angrenzenden herunter gekommenen Tennisplätzen, ins Stadtzentrum von Lens.
Grumm grumm grummmm! Motorradgeheul begrüßt uns als wir uns der Hauptverkehrsstraße nähern. Unsere Kinder stecken sich die Finger in die Ohren. Die Häuser an der Hauptverkehrsstraße sind fast allesamt saniert. Junge Frauen stolzieren auf dem Gehweg. Sie sind nicht so stylisch wie in Lilles, sondern pflegen eher den Berlin Wedding Style.
Trotz der neuen Fassaden und der Geschäfte sieht diese Hauptstraße nicht einladend aus. Ausnahmsweise gehe ich hier mal nicht shoppen. Die meisten Geschäfte, die hier sind, gibt es bei uns auch. Es ist trostlos überall das gleiche einerlei an H&M, Esprit und Zara zu sehen. Nur ein hübscher kleiner Obst- und Gemüsegarten an einer Ecke fällt aus dem Einheitsraster.
Kurz vor der Kirche links ist das Ziel unseres Begehrens. Ein Carrefour, die Edekaversion von Frankreich. Aber nur ein ganz kleiner. Wir decken uns mit dem nötigsten wie Milch, Butter, Brot, Oliven, Käse, Salat, Wasser, Joghurt und etwas paniertes Huhn für die Kinder ein und schleppen alles zu Fuß wieder zurück. Ich verfluche innerlich meine Neon pinken Ballerinas. Hätten wir doch bloß die Fahrräder genommen. Die Einkaufstasche wird immer schwerer und die Kleine will nur noch getragen werden. Dann fängt auch noch die Große an eifersüchtig auf ihre Schwester zu werden. Durch das Gejammere bekommt die Kleine Mitleid mit ihrer großen Schwester und windet sich mit den Worten „Will trösten“ aus meinen Armen. Während sie ihre große Schwester knuddelt, kommen mir vor Führung fast die Tränen und ich umarme beide. Nun ist die Laune wieder besser.
Kaum im Wohnmobil angekommen fällt der Großen mit Schrecken auf, dass sie ihr neues langes Radiergummiband auf dem Rückweg auf einer Parkbank verloren hat. Oh Graus! Ihr Papa opfert sich und läuft zurück in den Park um es zu holen. Während das Abendessen seine Form annimmt, warten wir auf ihn. Ich sehe meinen Mann schon verzweifelt mit einem französischen Kind beziehungsweise dessen Elternpaar um das dämliche Band ringen. Als er eine gefühlte Ewigkeit immer noch nicht zurück ist, male ich mir aus, dass der Streit aufgrund der nicht vorhandenen französischen Sprachkenntnisse meines Mannes nun zu einem Eklat ausgeartet sein muss. Warum sonst in aller Welt ist er dann noch nicht zurück? Sahen die Leute in dem Park nicht alle etwas gefährlich aus? Deshalb wollte er auch nicht, dass ich das Band suchen gehe… Als ich drauf und dran bin ihn zu suchen, öffnet sich die Wohnmobiltür und herein kommt der Held des Tages. Er steigert die Spannung. Hat er das dämliche Radiergummiband gefunden oder nicht? Er hat! Der Abend ist gerettet. Auch für uns Eltern. Wer schon mal das Drama eines verloren gegangenen neuen Spielzeugs bei seinem Kind erlebt hat, versteht mich.
Heute schlafen die Kinder oben im Alkoven. Meinem Mann geht es etwas besser. Endlich eine ruhige Nacht.
Adressen und weitere Informationen
Lille
Hauptplatz der Stadt mit vielen Cafés und Restaurants und ehrwürdigen Gebäuden aus dem 17. bis 20. Jahrhundert: Grund Place, Place du Général de Gaulle
Metro Linie 1 – Rihour
Kathedrale von Lille
Place Gilleson
59800 Lille
Lille Palais des Beaux-Art
Place de la République
www.pba-lille.fr
Anfahrt: Metro Linie 1, Stadion République
LaM- Lille Métropole museum of modern art, contemporary art and outsider art
Dienstags geschlossen
Pierre-Mauroy Stadium
Anfahrt: Metro Linie 1, Station „4 Canons Stade Pierre-Mauroy“ oder „City Scientifique Pr Gabillard“
Lens
Wohnmobil Stellplatz Lens
Ruhe Maurice Früchte/ Parkinson Bollaert P6
GPS: N 50° 25′ 54.9″ E 02° 49′ 16.3″
- Platz für sechs Wohnmobile oder mehr am Seitenrand
- Gebührenfrei, Ver- und Entsorgung am Relais (Strom und Wasser kostet), Mülleimer
- McDonalds gleich nebenan
- 10 bis 15 Gehminuten zur Hauptstraße, 10 Minuten bis zum Louvre
Louvre Lens
99 Rue Paul Bert
62300 Lens
www.louvrelens.fr
Eintritt: ständige Ausstellung in der Galerie du Temps ist kostenfrei, die wechselnden Ausstellungen sind kostenpflichtig
Reise- und Etappenführer für Wohnmobilreisen
„Mit dem Wohnmobil nach Nordfrankreich“ (Womo-Reihe), Taschenbuch, 3. Feburuar 2014„Tourenführer Frankreichs Norden mit dem Wohnmobil“, Broschiert, 23. Februar 2012
ADAC Campingführer Südeuropa 2016: mit herausnehmbarer Planungskarte Gebundene Ausgabe – 7. Januar 2016Etappenführer France Passion