Tut, tut! „Des Baguettes et des Croissants!“. Selbst auf einem simplen Stellplatz gilt das berühmte französische Savoir vivre. Wir tauschen mit der Madame vom mobilen Brötchenservice unser Geld gegen ihr köstliches Gebäck fürs Frühstück. Dann verlassen wir auch schon den Stellplatz von Boulogne-sur-Mer und machen wir uns in der Region Hauts-de-France bleibend auf die Piste zur Somme-Bucht.
Der 245 Kilometer lange Fluss namens Somme, der durch die grausame „Schlacht an der Somme“ während des 1. Weltkriegs mit einer Million Tote traurige Bekanntheit erlangte, mündet zwischen Le Crotoy und St-Valery-sur-Somme in der Somme Bucht (auf französisch „Baie de Somme„) in den Ärmelkanal.
Nach einem Besuch eines gepflegten Soldatenfriedhofs des 1. Weltkriegs (auf der einen Seite sind die deutsche und auf der anderen Seite die britischen Soldaten begraben. Letztere haben viele namenlose Grabsteine „only known to God“) und einem Abstecher zum Napoléon Denkmal durchfahren wir nach circa 90 Minuten auch schon die Einfahrt des Schlossparks und Campingplatzes von Domaine du Château de Drancourt.
Diesen Campingplatz haben wir auf der Website von der Campingplatzgruppe „Les Castells“ gefunden. Er steht aber auch im ADAC Campingplatz Reiseführer. Nur hätten wir ihn dort aufgrund der Fülle vielleicht nicht gefunden.
Vor einem hübschen Château parken wir, um einen Stellplatz zu ergattern. Das ist zuerst gar nicht so einfach, weil die Technik in der Rezeption ausgefallen ist. Quelle Malheur, sagt die Rezeptionistin. Aber im Urlaub bin ich ganz entspannt. C’est la vie. Das wird schon.
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Campingplatz Domaine du Château de Drancourt
Plopp… plopp. Einen Tennisplatz gibt es hier, wie ich auf meiner Erkundungstour feststelle während wir auf das Arbeitsgerät der Rezeption warten. Außerdem komme ich an einem Spielplatz sowie an einem Schwimmbad mit zwei überdachten Hallen und einen Becken im Freien inklusive Rutsche vorbei. Zwei der winzigsten Ponys, die ich jemals gesehen habe, grasen hinter dem Schloss. Diese sind anscheinend zum Reiten da. Zumindest tragen sie die volle Montur mit Sattel und Zaumzeug. Reiterhelme liegen auch bereit. Am Hintereingang des Schlosses befindet sich der Mini-Club mit Spielzeug und Basteltischen. Das ausgehängte Programm zeigt, wann was für die Kinder abgeht. Allerdings scheint alles auf französisch zu sein. Einen Minigolf Platz soll es auch geben. Den finde ich auf die schnelle im dem 12,5 Hektar großen Park allerdings nicht.
In einem geschmackvollen Café neben der Rezeption gibt es WiFi. Verschiedene Fahrgestelle für Kinder aller Altersklassen stehen zur Verfügung. Es gibt Waschmaschinen mit Trockner. Die Sanitärgebäude bräuchten allerdings bald mal eine Überholung. Die Geschirrspülräume sondern einen Odeur aus, bei dem mir der Appetit vergeht.
Von dem Ambiente und den Angeboten des Campingplatzes trotzdem insgesamt positiv angetan, sehe ich aus dem Augenwinkel wie mir die Rezeptionistin zuwinkt. Très bien. Nachdem die Computer wieder angesprungen sind, bekommen wir sogar einen Rabatt für unseren Stellplatz.
Zwischen verschiedenen Ziersträuchern und unter hohen Laubbäume parken wir nach viel hin und her unser Gipsy II. Voll ist es nicht um uns herum. Auch hier sind die mobilen Häuser in der Überzahl. Das ist gut. Dann sind die Duschen nicht überfüllt, denn die Häuser haben ein eigenes Bad.
How to do Privatsphäre auf dem Campingplatz
Was machen wir zuerst nachdem wir die perfekte Ausrichtung gefunden haben in der uns niemand in den Garten gucken kann, weil wir mit dem Wohnmobil quer zum Weg stehen? Das, was vermutlich alle Eltern mit Kindern hier sofort tun müssen, wenn sie nicht vom Kindernotdienst belästigt werden möchten. Wir ziehen unsere Badebuchsen respektive Bikinis an, blasen die Schwimmflügel für die Kleine sowie da große Krokodil für die Große auf und springen alle zusammen in den Pool!
Für die Kleinkinder gibt es ein überdachtes flaches warmes Wasserbecken mit einer Rutsche in Form eines Segelboots. Nebenan ist ein ebenfalls überdachtes Becken zum Schwimmen. Draußen befindet sich der dritte Pool mit zwei Rutschen für Kinder ab acht Jahren. Überall stehen Liegen bereit. Es ist sauber und riecht gut. Ach Kinder, das Leben ist schön!
Den Rest des Nachmittags verbringen wir draußen in der Sonne sitzend vor unserem Wohnmobil. Wir könnten uns hier nackt sonnen, wenn uns danach wäre, weil wir dank der Hecken und unseres Gefährts von außen abgeschirmt sind. Im Laufe der Zeit ist es um uns herum auch voller geworden. Unser Nachbarwohnmobil macht sehr merkwürdige Geräusche. Haben die etwa einen Häcksler oder Standmixer dabei? Bevor durch die Hecke spähen, ist der Krach auch schon vorbei.
Bonne nuit mit der Geschichte vom Pups-Roboter
Huhu, huhu… eine oder mehrere Eulen drehen ihre Runden durch den Schlosspark. Von weiter her hören wir Leute im Restaurant des Campingplatzes feiern. Oben im Alkoven ist es richtig gemütlich. Die Kinder haben sich heute das Buch „Pepe und der Pups-Roboter“ als Gute-Nacht-Geschichte ausgesucht. Die Geschichte, die von einem Jungen handelt, der nach wenigen Metern spazieren gehen immer auf den Schultern seines Vaters getragen werden will, haben sich die beiden jungen Autoren aus Berlin, Jesko Habert und Timo Becker ausgedacht. Die Story hätte auch über unsere zweijährige Tochter sein können. Sie will sich am liebsten auch nur noch auf den Schultern ihres Papas fortbewegen. Einen sperrigen Buggy oder die Kraxe haben wir nämlich nicht mehr Wohnmobil bekommen. Amüsiert lese ich ihnen von dem Erfindungsreichtum des von Rückenschmerzen geplagten Vaters vor. Er baut kurzerhand einen Roboter für seinen Sohn, der ihn von nun an trägt. Allerdings stößt der Roboter dabei ständig übel riechende Pupswolken aus. Das hält die anderen Kinder nicht davon ab, irgendwann auch mit ähnlichen Robotern durch die Straßen zu cruisen. Bis eines Tages die Luft ganz eklig grau wird und die Kinder dick und rund geworden sind, weil sie sich kaum noch selbst bewegen. Wie die Geschichte aus geht und ob sie noch ein gutes Ende findet, müsst Ihr allerdings selbst herausfinden…
Sportliches Programm
Heute haben wir einen Actiontag. Schließlich ist das der erste Campingplatz unseres Urlaubs, der für uns so viele Angebote bereithält.
Am Morgen um 9.15 Uhr versuche ich im so genannten Aquadance Kurs den Pool des Campingplatzes gemeinsam mit nur vier weiteren Gästen meine müden Muskeln aufzuwecken. Hinterher verstehe ich, warum es nur so wenige Teilnehmer waren. Die junge Lehrerin ist nicht gerade eine Energiebombe oder scheint noch etwas schlaftrunken zu sein. Dafür dreht sie die Musik so laut, dass wenigstens meine Ohren wach werden.
Für 10 Uhr haben wir für die Mädels eine halbe Stunde Reiten gebucht. Sie kommen mir ganz stolz mit dem Papa als Aufpasser entgegen als ich aus der Dusche komme. Die Kleine sitzt auf dem Pony, das einen unaussprechlichen Namen trägt, und die Große führt die beiden herum. Grasen scheint die Lieblingsbeschäftigung des Tierchens zu sein. Aber es insistiert nur kurz, wenn die Große es weiter zieht.
Als das Pony das nächste Kind umher tragen muss, verkrümelt sich mein Mann ins WiFi Café um zu arbeiten. Die Kinder leihen sich derweil einen fahrbaren Untersatz (mit 5 Euro pro 30 Minuten ganz schön teuer) aus, um dessen Vorherrschaft sie sich dann streiten. Irgendwann besorge ich der Großen ein Kettcar. Kurze Zeit später tut sie sich weh und wir geben es zurück. Mann oh mann. Jetzt brauchen wir mal eine Pause und gehen ihren Papa im Café nerven.
Radtour nach Saint-Valery Sur Somme
Während ich mich mit der Kleinen zum Mittagsschlaf in den Alkoven kuschle, gehen Vater und die Große Tochter in den Pool. Nach einer nudeligen Stärkung pumpen wir die Fahrradreifen auf und stellen endlich mal den Fahrradsattel der Großen auf ihre aktuelle Körpergröße ein. Somit sieht sie endlich nicht mehr aus wie ein Affe auf dem Schleifstein und wir können unsere Radtour ins wenige Kilometer entfernte Städtchen Saint-Valery sur Somme starten. Die Strecke führt uns zur besonderen Freude unseres tierlieben Nachwuchses an Eseln, Kühen und Pferden vorbei, die friedlich auf de Wiesen grasen.
Beim ersten Anstieg auf der Landstraße D3 zwischen Maisfeldern ist die Freude vorbei. Es hagelt Beschwerden von der Großen und wir müssen alle absteigen und schieben. Zum Glück dürfen wir das nachher alles wieder runter fahren. Doch das tröstet unsere Tochter jetzt im Moment nicht.
Nach dem Kreisverkehr, wo sich der Supermarkt Carrefour befindet, fahren wir die D940 ein Stück weiter bis zum nächsten Kreisverkehr und biegen dann zuerst rechts und dann links in eine kleine, weniger befahrene Straße hinein. Links neben uns ist ein Waldstück in dem Kinder in Klettergurten und Helmen zwischen Bäumen einen Klettergarten durchqueren.
Der Ort Saint-Valery sur Somme empfängt uns mit einem ziemlich steil abfallenden Gässchen, an dem sich links wie rechts bunte Häuser mit Blumen und allerlei Zierrat von der Robbe aus Plastik bis hin zum Pfänder reihen. Touristen werfen sich davor stehend in Pose. Auch unsere Tochter muss herhalten.
Iih, was ist denn das? Unten an der Hafenpromenade angekommen, fängt es leicht an zu nieseln. Aber davon lassen wir uns nicht vertreiben. Im Gegenteil. Wir schließen unsere Räder an die nächstbeste Laterne und schlendern an der Promenade der Bucht entlang. Hier mündet die Somme in den Ärmelkanal. Ausflugsschiffchen tuckern an uns vorbei. Ein großer Ast, der aussieht wie ein Krokodil, wird von der Strömung fortgezogen.
Dass die Somme-Bucht 2001 zusammen mit der Bucht von Venedig und der von San Fransisco zur schönsten Bucht der Welt gekürt wurde, können wir heute nicht so recht nachvollziehen. Aber das Wetter ist vielleicht heute auch nicht besonders vorteilhaft. Wir wollen mal nicht unfair sein.
Egal ob die schönste Bucht der Welt oder nicht, heute ist unser Glückstag, denn es ist Markt in Saint-Valery sur Somme. Egal ob Honig, Wein, Schnaps, Brot, Obst, Käse, Schinken, Wurst, Schmuck, hübsche Taschen oder gebrannte Mandeln. An der Uferpromenade gibt es alles, was das Herz des Reisenden begehrt. Ramsch ist hier nicht zu finden. Wir schmeißen erstmal eine Runde teures Kugeleis für die Kinder damit wir in Ruhe selbst Salami, Honig und eine originelle Kette einkaufen können.
Doch zuvor bleiben wir bei einer Jazzkapelle stehen, die aus der Nähe von Rouen angereist ist. Sie spielen so wunderbar, dass schnell die Uferpromenade verstopft. Auch wir sind ein Teil des Korkens. Unsere zweijährige Tochter ist so von der Musik begeistert, dass sie den Platz zwischen Zuhörern und der Band nutzt, um dort ihre Tanzkreise zu ziehen und die Aufmerksamkeit der Umstehenden inklusive uns zu genießen.
Auf dem Rückweg schlagen wir uns mit unseren Rädern auf den schmalen Bürgersteig mehr schlecht als recht durch. Wir wollen in der Rue de la Ferté bummeln, was mit den Vélos zugegebenermaßen natürlich eine blöde Idee von uns ist. Aber wir halten durch. Die Geschäfte und Galerien sind einfach zu hübsch herausgeputzt um ihnen zu widerstehen. In dem einzigen großen Laden der Straße ersteht mein Mann endlich einen Lenkdrachen. Und dann auch noch in Rot mit einem schwarzen Drachen drauf!
Tuff, Tuff, Tuff, die Eisenbahn. Wer will mit durch Frankreich fahren?
Dort, wo am Ende der Straße in der Marina die Bötchen vor sich hin schaukeln, tuckert im Schneckentempo eine alte Dampfeisenbahn, die bis zum Wendekreis fährt um sich abzuwickeln, wieder zurück zu fahren und dann Eisenbahnwagen voller Touristen zu ziehen. Wir können mit unseren Rädern leider nicht mit. Aber dafür geht es ja nun auch bergab…
Adressen und weitere Informationen
Camping und Freizeit
Domaine du Château de Drancourt*****
80230 Saint-Valery sur Somme
Tel: +33 (0)3 22 26 93 45
Reservation.drancourt@orange.fr
GPS: B:50, 15353 L:1,6359
Klettergarten: Le Parc Salomon
Rue Gilbert Gauthé
80230 Saint-Valery-sur-Somme
www.parcaventure-baiedesomme.com
Sehr hübsche Boutique mit kulinarischen Mitbringseln in Saint-Valerie sur Somme
La Sardine
9, Rue de la Ferté
80230 Saint-Valery sur Somme
Dampfeisenbahn an der Somme
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese die richtige Website ist, also besser genau nachprüfen www.appeva.org
Literatur
Jesko Habert undTimo Becker, Willegoos Verlag, 1. Auflage 2016, für Erstleser geeignet
Reise- und Etappenführer für Wohnmobilreisen
„Mit dem Wohnmobil durch die Normandie“ (Womo-Reihe), Taschenbuch„DuMont direkt Reiseführer Normandie“, Taschenbuch, „Mit dem Wohnmobil nach Nordfrankreich“ (Womo-Reihe), Taschenbuch,„Tourenführer Frankreichs Norden mit dem Wohnmobil“,
ADAC Campingführer Südeuropa mit herausnehmbarer PlanungskarteADAC Stellplatzführer Deutschland/Europa mit zwei herausnehmbaren PlanungskartenEtappenführer France Passion
Hallo!
Sie haben einen wirklich tollen Reisebericht über Nordfrankreich geschrieben – sehr interessant und kurzweilig zu lesen.
Wir werden im Spätsommer erstmals dort hinfahren und dank Berichten wie dem Ihren wächst die Vorfreude immer mehr! Vielen Dank!
Schöne Grüße aus Köln von
Britta