Es ist nun drei Jahre her, dass unsere erstgeborene Tochter eingeschult wurde. Mittlerweile steht unsere jüngere Tochter in den Startlöchern für die Vorschule. Ich erinnere mich noch geut daran, welche Gedanken meinem Mann und mir im Frühjahr und Sommerurlaub vor der Einschulung durch den Kopf gingen. Wird es ihr schwer fallen, sich in der Schule einzuleben? Sowohl zwischen dem Alltag in einer Regelkita als auch in einer Waldkita und dem Schulalltag bestehen bereits in der ersten Klassenstufe schließlich erhebliche Unterschiede, was die Tagesstruktur und die Anforderungen angeht. In meinem Beitrag schreibe ich der Kürze wegen von (Wald)Kitas, da einige Themen, die ich ansprechen werde, auf beide Kitaformen, also Regel- und Waldkitas zutreffen.
Unsere zwei großen Elternfragen, die uns vor der Einschulung unseres Kindes beschäftigten, lauteten:
Wie wird unsere Tochter mit dem Wechsel von der Waldkita in die Grundschule zurecht kommen?
Hat sie das nötige Rüstzeug mitbekommen?
Die Antworten auf diese und weitere Fragen in diesem Zusammenhang versuche ich Euch aus meiner nun gewonnenen persönlichen Erfahrung zu berichten.
Die Zauberhafte Waldkitazeit unseres Kindes
Unsere Tochter hat vier wundervolle Jahre in einem integrierten Waldkindergarten in Berlin verbracht. Ein integrierter Waldkindergarten ist an eine Hauskita angeschlossen. Das bedeutet, die Kinder sind sowohl im Wald als auch zu bestimmten Zeiten im Haus. Klassische Wald- und Naturkindergärten haben hingegen „nur“ eine Schutzhütte oder einen Bauwagen im Wald.
Unser Kind spielte in ihrer Waldkitazeit einen Großteil des Tages frei und an der frischen Luft: Blätter wurden zu Decken, auf den Waldboden gelegte Stöcker zu imaginären Zimmern und Tipis wurden selbstverständlich auch gebaut. An den Wochenenden führte sie uns in den Wald und zeigte uns ihre Lieblingsplätze, die fantasievolle Namen trugen und auch wrklich auf ihre Art einen Zauber ausstrahlten. Sie tobte, wühlte in Matsch, sammelte Mistkäfer (im Waldkitasprech auch „Mistis“ genannt) und andere Insekten auf und bastelte die irrsten Gerätschaften und Accessoires (auch wenn sie ein wenig an den US-amerikanischen Horrorfilm Blair Witch Project erinnern, gebe ich zu, die aber dennoch in unserem Garten baumeln). Sie baute und kletterte, sprang, rutschte, schwankte und fiel auch das ein oder andere Mal im Wald hin (jedoch nie so schlimm, wie auf dem Schulhof vor einiger Zeit – so viel zum Thema, dass der Wald für Kinder aufgrund erhöhter Verletzungsgefahr gefährlich wäre). Das alles war ein toller Gegenpart zu den vielen Prinzessinnenkleidern und Barbiepuppen, mit denen sie Zuhause gerne spielte.
Unser Kind erlebte in der Natur hautnah Wachstum, Entfaltung und auch das Sterben von Tieren und Pflanzen. Ein totes Wildschwein im Wald, ich erinnere mich noch gut an ihre aufgebrachten Schilderungen. Ich erinnere auch ihr Treffen mit dem Förster und dem Imker. Alles tolle Erlebnisse von denen sie uns erzählte. Gleichzeitig herrschten eine Ruhe und Konzentration bei den Spielen der Kinder in der Natur, wie ich sie in einem geschlossenen Kitaraum nur seltene erleben durfte. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn im Wald findet sich für jedes Kind ein passender Stock zum Spielen. Es gibt (je nach Radius in dem sich die Kinder von ihrer Gruppe entfernen dürfen) nahezu unendlich viel Platz. Jedes Kind findet in der natur seinen Rückzugsraum, wenn es ihn braucht. Auch das so genannte magische Denken der Kinder findet in der Natur einen wahrhaftigen Resonanzboden. Da wir Eltern ab und an mit der Gruppe unserer Kinder mit in den Wald durften, hatte ich die Gelegenheit, den ein oder anderen erlebnisreichen Tag mitzuerleben und die Waldtrolle zu beobachten.
Spielerisch bekam unsere Tochter (und ich denke auch die Eltern der anderen Kinder ihrer Gruppe würden das mit unterschreiben) von ihren Erzieherinnen und Erziehern (mit und ohne theoretische waldpädagogische Ausbildung) auch Elementares über die Natur mit auf den Weg. Aber ohne, dass dabei das Ziel verfolgt wurde, einen Output nach dem Motto „Imitiere diese und jene Vogelstimmen“ oder „Welche Baumarten kennst Du?“ zu erwarten. Und dass genau das nicht stattgefunden hat, finde ich richtig so. Das Elementarste was Kinder in der Natur und auch in einem Waldkindergarten mit auf den Weg bekommen können und meiner Meinung nach auch sollen, ist schlicht und einfach die Wertschätzung der Natur und alles was darin Empfindsames kreucht und fleucht. Auch wenn manches Wesen auf den ersten Blick vielleicht nicht so hübsch aussieht.
Ich möchte nicht so dogmatisch wirken, wie der Text jetzt vielleicht klingen mag. Ich bin in der Stadt groß geworden. Und deshalb erkenne ich so manche Unterschiede zwischen unserer Tochter und mir. Sobald wir beispielsweise mit unserer Tochter im Urlaub wandernd die Umgebung erkunden, legt sich bei ihr ein Hebel um. Sie entspannt sich und fängt an, sich unglaubliche Geschichten auszudenken. Zum Beispiel über die Tiere, denen wir am Wegrand begegnen. Ihr wildes Denken setzt stets nur im Freien ein. Währenddessen merkt sie kaum, wie viele Kilometer wir gerade zurücklegen.
Kinderbuch zum Thema Waldkindergarten
By the way: Ein sehr schönes Vorlese- und Bilderbuch, „Nils zeigt Dir den Waldkindergarten“, hat die Eingewöhung eines Kindes und den Alltag eines klassischen Wald- bzw. Naturkindergärten zum Thema. Es ist diesen Winter bei neuDENKEN erschienen und wurde von der Deutschen Wildtier Stiftung unterstützt. Alle Eltern, die sich mit dem Thema beschäftigen und ihren Kindern einen Waldkindergarten näher bringen möchten, sei dieses schön aufbereitete Buch von mir sehr empfohlen.
Die Umstellung von Kita zur Schule
Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht verständlicher, was uns Eltern vor der Einschulung bewegte. Wir sollten unsere Tochter auf eine Regelschule schicken, die für sie schnell und ungefährlich erreichbar ist, die sie durch einen dort stattfindenden Tanzkurs bereits lange Jahre kennt und auf die auch die meisten ihrer Freunde gehen. Die Schule sieht schön aus. Sie ist hell und ist von Wald umgeben. Aber ein waldpädagogisches Konzept hat sie natürlich nicht auf dem Tableau. Auch in dieser Schule muss unser Kind längere Zeit stillsitzen können und ist die meiste Zeit in geschlossenen Räumen. Dies wissend, überlegten wir, ob ihr diese Umstellung leicht oder schwer fallen würde. Wir hatten allerdings keine Befürchtung, dass sie Berührungsängste mit der Schule als Institution haben würde. Die Kita hatte der Schule im Vorhinein einen Besuch abgestatte. Und sie kennt bereits einige ältere Kinder auf der Schule. Wir hatten nur Befürchtungen, dass sie es langweilen könnte, so viel auf dem Stuhl zu hocken und diese engeren und deshalb oftmals lauteren räumlichen Gegebenheiten – ich schreibe es mal dramatisch – zu ertragen.
4. Dialogforum der Patenkindergärten der Deutschen Wildtier Stiftung
Angeregt von einem Blogbeitrag, in dem ich unsere elterlichen Gedanken ins World Wide Web vor einiger Zeit hinausließ, wurde ich und unser Kitaleiter im November 2016 von der Deutschen Wildtier Stiftung zu einem Dialogforum eingeladen. Diese Naturschutzstiftung, hat sich das Thema Naturbildung auf die Fahnen geschrieben und wünschte im Rahmen einer Diskussionsrunde unter anderem von mir zu erfahren, wie sich unser ehemaliges Waldkitakind in der Schule bisher zurecht gefunden und wie hat es den Übergang dort gemeistert hat, wie es uns als Elternteil damit erging und was aus meiner Sicht eine Kita tun könnte, um auch Kinder und Eltern in dieser Übergangsphase zu unterstützen.
Kindertagesstätten sind ja ganz allgemein gesagt eine freiwillige Veranstaltung. Die Bildungspläne dienen dort der Orientierung und das Alter der Kinder ist in den Gruppen durchmischt. Der Schulbesuch hingegen ist (richtigerweise) Pflicht, der Bildungsplan ist das Kernelement und die Gruppen sind altersmäßig homogen.
Was können (Wald)Kitas und Grundschulen dafür tun, um Kindern ihren Übergang in die erste Schulklasse zu unterstützen?
Miriam Buse, M.A. Berufs- und Wirtschaftspädagogik, schilderte uns in ihrem sehr interessanten Vortrag mit dem Titel „Miteinander reden – gemeinsam gestalten. Zur Kooperation am Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule.“ fundiert, wie (Wald)Kitas und Grundschulen miteinander im Kontakt stehen, welche Kooperationsmöglichkeiten in der Praxis ausprobiert werden und zu welchen Ergebnissen dies beitragen kann. Hintergrund der Fragen ist, dass etwa vier bis fünf Prozent der Kinder innerhalb der ersten zwei Schuljahre Schwierigkeiten beim Einleben haben.
Ich war als Außenstehende ganz erstaunt, welche Wege zwischen Kitas und Schulen überhaupt möglich sind. Laut der Befragung von Erzieher/-innen und Lehrer/-innen stellt sich heraus, dass für eine funktionierende Kooperation zunächst einmal die Basics wie gegenseitige Anerkennung, Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe stimmen müssen. Hört sich ja ganz logisch an. Selbstverständlich ist dies aber trotzdem noch lange nicht und wird aufgrund von Vorurteilen auf beiden Seiten nicht überall so praktiziert.
Interessanterweise kam laut einer Untersuchung von Maike Sauerhering heraus, dass sowohl Lehrkräfte als auch Erzieher/-innen die gleichen Ziele haben, nämlich:
- die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen,
- die Förderung des Selbstbewusstseins,
- und die Förderung fachspezifischer Kompetenzen.
Die Erzieher sind der Meinung, dass die Lehrkräfte fachspezifische Kompetenzen am wichtigsten wären, obwohl der Befragung zur Folge dem nicht so ist. Hier zeigt sich laut Frau Buse, wie wichtig Kommunikation, besseres Kennenlernen und gemeinsames Arbeiten sind um Fremdbilder der jeweils anderen Profession zu überprüfen. Kennen wir das nicht alle auch aus unserer beruflichen Praxis?
Insofern die beiderseitigen Vorurteile erst einmal aus dem Weg geräumt sind, stehen einem gegenseitigen Informationsaustausch, einer Arbeitsteilung und Co-Konstruktionen, gemeinsamen Fortbildungen und Waldprojekten, Lernwerkstätten und Hospitationen nichts entgegen.
Möglichkeiten des Austauschs und der Kooperationen für (Wald)Kitas und Grundschulen
Natürlich ist für einen Austausch und eine Kooperation ganz besonders Zeit und Vertrauen auf beiden Seiten notwendig. Sowohl bei (Wald)Kitaerzieher/-innen als auch bei der Lehrerschaft ist allerdings von der wertvollen Ressource Zeit nicht viel vorhanden. Insofern zwischen den Bildungsinstitutionen dennoch die ersten Bande geknüpft sind, können zum Beispiel Schnuppertage der (Wald)Kitakinder in der Grundschule angeboten werden. Hier lesen beispielsweise die Schüler/-innen den Jüngeren etwas vor, sie basteln gemeinsam oder schauen sich die Schulbücher und -materialien an. Durch dieses Beschnuppern können Berührungsängste von zukünftigen ABC-Schützen gegenüber der Schule ganz spielerisch abgebaut werden.
Die Waldkita unseres Kindes hat in der Vorschulzeit einen Fahrradausflug in die Grundschule unternommen. Mehr Formen der Kooperationen gab es allerdings nicht. Von Seiten der Waldkita gab es Interesse an einem regeren Austausch mit der Lehrerschaft. Da unsere ansässige Grundschule allerdings nicht nur mit der Waldkita, sondern mit weiteren Kindertagesstätten in Kontakt steht, gab es für mehr Kommunikation mit unserer Waldkita keine Kapazitäten, obwohl sicherlich seitens der Schule hier der Bedarf da ist. Ich denke, die Hürden des Zeit- und Personalmangels, organisatorische Probleme und unterschiedliche pädagogische Ausrichtungen der Förderinstitutionen treffen mit Sicherheit auf viele weitere Grundschulen genauso zu.
Das Projekt PONTE
Die Sozialpädagogin Astrid Buffi berichtete während des Dialogforums über ihre praktischen Erfahrungen im Rahmen des PONTE-Projekts, das in Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. „Ponte“ ist Italienisch und heiß übersetzt „Brücke“ und steht für die Verbindung zwischen Kita und Grundschule. Laut Bildungsserver ist das Ziel von PONTE, dass „…es in Kindergärten und Schulen ein angemessenes und aufeinander abgestimmtes Bildungsverständnis zu erreichen. Dazu werden beide Institutionen bei der Schaffung und Gestaltung von Lernsituationen unterstützt, die den Ansprüchen des Kindes wie denen ambitionierter Pädagogik gleichermaßen entsprechen“. Frau Buffi schilderte uns den praktischen Ablauf des Projekts anhand von ihren Erfahrungen. Es ging los mit dem Aufbau von Lerntandems zwischen Erzieher/-innen und Lehrerschaft, um die jeweils andere Kultur zu reflektieren und daraus Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu entwickeln. Danach folgten viele intensive Diskussionen in denen es teilweise auch hoch her ging. Frau Buffi fiel dennoch auf, das die Ziele von Kita und Schule gar nicht so weit auseinander liegen, wie sie und ihre Kolleginnen annahmen. Im Laufe der folgenden Treffen wurde viel diskutiert und letztendlich wurde dadurch ein aufeinander abgestimmtes Arbeiten zwischen Kita und Schule ermöglicht.
Sind Waldkitakinder gegenüber Regelkitakindern in der Grundschule im Nachteil?
Laut der Dialogforumteilnehmer/-innen, die von der Stiftung aus den verschiedensten Bundesgebieten nach Berlin geladen wurden und die von ihren jeweils unterschiedlichen Waldkitakonzepten berichteten, besteht in der Elternschaft stets die Sorge, dass eine Waldkita ihren Kindern im Gegensatz zu einer klassischen Kita nicht die Fertigkeiten und das Vorwissen mit auf den Weg geben könnte, das die Grundschule erwartet. Dabei geht es den Eltern meist um das Halten des Stifts, das Ausschneiden, ein wenig Lesen, Schreiben und Rechnen. Viele Eltern machen sich bereits vor der Anmeldung ihres Kinder in einer Kita darüber eine Menge Gedanken.
Die Vorschularbeit in Regel- und Waldkindergärten
Zunächst einmal: Die typische Vorschule als Zwischenstufe zum Kindergarten und Grundschule gibt es in Deutschland kaum noch. In Berlin wurde sie abgeschafft. Fast immer sind die Vorschulklassen heute, in denen die Fünfjährigen auf die erste Klasse vorbereitet werden, den Kindergärten zugerechnet. Wie die Kindergärten die Vorschule gestalten bleibt ihnen überlassen. Da früher viel weniger Kinder eine Kita besuchten, diente die Vorschule einst dazu, diese Kinder auf die Schule vorzubereiten damit sie auf dem gleichen Level einsteigen konnten, wie die Kinder, die bereits eine Kitabiographie hinter sich haben.
Heute gehen viel mehr Kinder in die Kita und sind deshalb viel weiter, so dass die typische Vorschule überflüssig wurde. Genau wie eine Regelkita, so können auch Waldkindergärten ihre Vorschularbeit selbst gestalten. Allerdings nutzen integrierte Waldkitas rein räumlich betrachtet andere Möglichkeiten der Gestaltung in ihrer praktischen Vorschularbeit als klassische Wald- und Naturkindergärten, die kein festes Haus haben.
Radikales vesus klassisches Vorschulkonzept
In den Wortbeiträgen der Teilnehmer/-innen stellte sich heraus, dass die Waldkitas ihre Vorschularbeit mit den Kindern inhaltlich sehr unterschiedlich gestalten. Einige Waldkitas agieren freier beziehungsweise radikaler. Andere halten sich enger an das klassische Konzept. Die Waldkita unserer Tochter gehört ich zu letzter Gruppe. Die Vorschule findet dort zwei mal wöchentlich zu morgens festen Zeiten in einem extra dafür eingerichteten Raum statt. Es werden Lehrhefte und -materialien genutzt, die berühmten Schwungübungen werden geübt und die Kinder lernen die Zahlen kennen. Außerdem wird viel gemalt, ausgeschnitten und gebastelt. Die Ergebnisse der Kreativarbeit haben wir zum Ende des letzten Kitajahres mit nach Hause nehmen dürfen und sind nun in einer schicken blauen A2-Mappe gut und sicher verwahrt. Zum Abschluss gab es im Rahmes des so genannten Neptunfests auch eine Urkunde und eine kleine gefüllte Schultüte. Die Vorschulkinder schwebten an dem Tag mindestens zehn Zentimeter über dem Waldboden.
Was ist meine persönliche Meinung zur Vorschularbeit?
Ich muss zugeben, dass wir uns bei der Kitaanmeldung unseres Kindes nicht so viel Sorgen darüber gemacht haben, wie die Vorschularbeit wohl ablaufen würde. Zumindest erinnern wir uns jetzt nicht mehr daran und das heißt, es kann keine allzu große Rolle gespielt haben.
Unsere Priorität lag vielmehr darauf, dass unser Kind in der Kita ein liebvolles, respektvolles und aufmerksames Umfeld vorfindet, in dem es sich in Ruhe entfalten, seine Interessen ausleben und sich viel draußen bewegen kann und Berührung mit der Natur bekommt.
Ich kann die kritischen Gedankengänge der Eltern dennoch in beide Richtungen nachvollziehen. Es ist wichtig, dass wir Eltern uns bei der Leitung einer Waldkita oder klassischen Kita vorab darüber informieren, wie die dortige Vorschularbeit abläuft. Ansonsten gibt es hinterher nur Enttäuschungen. Ein Kind ein Jahr vor Schulbeginn aus dem Gruppenverband der Kita rauszureißen, um es in einer Kita anzumelden, wo das vermeintlich bessere Vorschulprogramm angeboten wird, halte ich für das Kind für sehr bedenklich. In diesem Alter sind bereits feste Bindungen zu anderen Kindern und zu den Erziehern entstanden, die so gekappt werden würden. Das Kind müsste sich dann nicht nur an die Vorschule, sondern auch an die Umgebung und Regeln der neuen Kita gewöhnen, um dann zwölf Monate später wieder davon getrennt zu werden, weil es dann eingeschult wird. Falls ein Kind für die angebotene klassische Vorschularbeit der Kita noch nicht reif genug erscheint, weil es zum Beispiel noch zu verspielt oder verträumt wirkt, ist die Verschiebung der Vorschule um ein Jahr eine Möglichkeit.
Ich bin persönlich für den berühmten Mittelweg der Vorschularbeit (auch in einer Waldkita), der sowohl viel Raum und Zeit für freies Spiel und die Auseinandersetzung mit Themen, die die Kinder selbst mitbringen vorsieht, als auch die klassiche Arbeit mit Stift und Schere am Tisch einbezieht. Außerdem bin ich der Auffassung, dass ein Kind im Vorschulalter noch nicht unbedingt rechnen, lesen und schreiben braucht. Viele Kinder wollen es aber lernen, haben Spaß daran und dann ist es in Orndung, weil es von ihnen selbst kommt und das ist die beste Motivation. Auf keinen Fall sollten wir Eltern unser Kind dorthin drängen. Ansonsten verliert unser Kind die Freude am Lernen bevor die Schule begonnen hat.
Was erwarten die Grundschulen von den Erstklässlern?
Wie ich in einer Informationsveranstaltung von unserer ansässigen Grundschule im Herbst vor der Einschulung erfuhr, reicht es vollkommen aus, wenn das Kind seinen Namen lesen und schreiben kann. Der Lehrerschaft ging es in der Tat vielmehr darum, dass die Kinder eine gute Portion Selbständigkeit mitbringen, sich für den Sportunterricht und die Pausen auf dem Schulhof zu eigenständig an- und auszukleiden und sich einen Moment auf etwas konzentrieren, zuhören und ein Weilchen stillsitzen zu können.
Das Feedback der Klassenlehrerin zu unserer Tochter
Kurz vor Ende des ersten Schulhalbjahres berichtete uns die Klassenlehrerin unserer Tochter im Elterngespräch meinem Mann und mir, dass unser Kind sich problemlos in der Klasse und in der Schule eingelebt hat. Stillsitzen, zuhören, ausschneiden, konzentrieren fällt ihr leicht. Allerdings kommt sie an den Tagen an denen sie bereits um 8.15 Uhr Unterricht hat zu Beginn nicht so gut in die Gänge als an den Tagen an denen sie erst zur 2. Schulstunde kommt. Aber das wundert uns kaum. Nachweislich ist der Unterrichtsbeginn um 8.15 Uhr für Kinder auch nicht ideal. Der Meinung der Klassenlehrerin nach unterscheiden sich die Waldkitakinder in den Lern-Disziplinen nicht von den Kindern, die zurvor eine klassische Kita und damit in der Regel auch klassische Vorschule besucht haben. Ihr sei allerdings schon aufgefallen, dass die ehemaligen Waldkitakinder meist geerdeter und robuster seien, fester im Leben stehen und Konflikte eher durch Diskutieren lösen würden. Uns hat dieses Feedback sehr froh gestimmt.
Was können Eltern für einen besseren Übergang von der Kita zur Grundschule beitragen?
Natürlich können weder die (Wald)Kitaerzieher/-innen noch die Lehrerschaft die gesamte Verantwortung für einen weichen Übergang tragen, wie Miriam Buse richtig festhält. Wir Eltern können und müssen hier ebenfalls einen Beitrag leisten. Schließlich geht es hier um unsere Kinder. Insofern möglich können wir Eltern zum Beispiel gemeinsame Elternabende initiieren. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist dies zum Thema Sprachförderung so gesetzlich festgelegt.
Wie ich bereits in meinem Blogbeitrag vom 6. August 2016 „Wie mache ich mein Kind fit für die Grundschule?“ schrieb, können Eltern mit ihren Kindern während der Vorschulzeit der Grundschule einen Besuch abstatten und ihren Kindern die dortigen Räumlichkeiten zeigen oder eine Verabredung mit dem oder der zukünftigen Klassenlehrer/-in treffen, sobald er oder sie feststeht. Außerdem gibt es viele Kinderbücher zum Thema Schule und Einschulung, die man kaufen oder in der Bücherei ausleihen kann.
Weitere Informationen
Deutsche Wildtier Stiftung: www.deutschewildtierstiftung.de
Patenkindergärten der Deutschen Wildtier Stiftung: https://www.deutschewildtierstiftung.de/naturbildung/patenkindergaerten
„Übergang Kita – Grundschule“, Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung / Forschungsstelle Begabungsförderung, Meike Sauerhering und Claudia Solzbacher (Herausgeber): www.bwp.uni-osnabrueck.de/professur_bals/personen/miriam_buse
Miriam Buse, M.A., Berufs- und Wirtschaftspädagogik: www.nifbe.de/pdf_show.php?id=218
Berliner Bildungsprogramm: www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/bildungswege/vorschulische_bildung/elternfassung_deutsch.pdf
Vorlagen für Schwungübungen: www.grundschulkoenig.de/schwunguebungen
„Nein, noch nicht“, Die Zeit, 4. Januar 2015: http://www.zeit.de/2014/52/schule-beginn-uhrzeit-frueh-aufstehen
Vorlese- und Bilderbuch, „Nils zeigt Dir den Waldkindergarten„, Verlag neuDenken, November 2016: www.amazon.de/Kinderbuch-Pappbilderbuch-Nils-zeigt-Waldkindergarten/dp/3944793781/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1486585023&sr=1-1&keywords=nils+zeigt+dir+den+waldkindergarten
Startkapital Natur, Wie Naturerfahrung die kindliche Entwicklung fördert, Andreas Raith und Armin Lude, oekom, 2014: https://www.amazon.de/Startkapital-Natur-Naturerfahrung-kindliche-Entwicklung/dp/3865816924/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1488487755&sr=1-1&keywords=startkapital+natur ,