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Fahrradtour mit Kindern in den Tegeler Forst in Berlin-Reinickendorf

Radtour mit Kindern in den Tegeler Forst, Berlin

Wo steht die dicke Marie? Wo schlummert das Humboldt Schloss im Dornrösschenschlaf? Wo gibt es Wildtiergehe und einen richtig tollen Spielplatz? Darauf gibt es nur eine richtige Antwort: im Tegeler Forst, Berlin Reinickendorf! Wer eine Route fernab des Autoverkehrs sucht, die viel Abwechslung bietet und eine andere Seite von Berlin zeigt, für den dürfte mein Blogbeitrag interessant sein. Mit unseren beiden Kindern und einem Freund unserer älteren Tochter haben wir eine kindgerechte Radtour vom U-Bahnhof Alt-Tegel in Berlin-Reinickendorf in den südlichen Teil des Tegeler Forsts unternommen.
Auf unserer Tour haben wir nicht nur die idyllische Greenwichpromenade sowie die historische Tegeler Hafenbrücke passiert und einen Abenteuerspielplatz besucht, sondern auch die älteste Dame Berlins besucht. Eine Badestelle, ein Wildtiergehege und eine Waldperle standen auch auf unserem Programm.

Kinder und Radfahren

Die beiden älteren Kinder waren auf ihren eigenen Rädern unterwegs und die Kleine saß auf ihrem Thron hinter mir auf dem Rad. Natürlich haben wir alle einen Helm getragen. Unser mitgebrachtes Flickzeug, die Fahrradpumpe und das erste Hilfeset brauchten wir glücklicherweise nicht aus dem Rucksack zu holen. Wer sich vor einer Radtour informieren möchte, was im Vorhinein beim Transport von Kindern auf dem Rad zu berücksichtigen ist, kann sich hier informieren.

Die Kinder haben die 7 Kilometer lange Radtour super mitgemacht. Wie lange wir gebraucht haben? Keine Ahnung, ich habe die Zeit vergessen. Laut Karte hätten wir die Strecke in 30 Minuten schaffen können. Aber wir haben an so vielen Stellen angehalten, dass ich es nicht mit Sicherheit sagen möchte. Die Tour ist auf jeden Fall super für Kinder geeinigt, die schon eine weile Fahrradfahren können. Gleichzeitig gibt es spielerische Abwechslungen, viel zu entdecken und auch Oasen der Ruhe.
Es gibt kaum Steigungen und die einzige Herausforderung besteht darin, die Räder über die Tegeler Hafenbrücke zu bugsieren. Die Schienen neben den Treppenstufen machen dies allerdings leichter.

Greenwichpromenade Berlin
Greenwichpromenade in Berlin-Reinickendorf

Der Start ab U-Bahnhof Alt-Tegel

Wir fahren mit den Rädern ab der Endstation Alt-Tegel (U6) los und an einem Brunnen und einem großen Bekleidungsgeschäft vorbei (alternativ kann man auch ab dem S-Bahnhof Tegel losfahren) und die Alt-Tegeler Straße hoch in Richtung Tegeler See. Da ich unsere dreijährige Tochter hinten auf dem Kinderfahrradsitz habe, darf ich mit meiner Tochter und ihrem Freund ebenfalls auf dem Trottoir fahren. Das ist auch zu empfehlen, denn das Kopsteinpflaster auf der Straße wäre eine ganz schöne Schüttelpartie für uns. Allerdings scheint halb Reinickendorf auf den Beinen zu sein und der Bürgersteig ist voll. Daher schieben wir lieber ein Stück. Die Strecke verläuft nicht ohne Zwischenstopp. Nein, wir haben keine Fahrradpanne. Es gibt in der Alt-Tegeler Straße einfach zu viele Eisläden, als dass ich ohne eine Eiswaffel mit den Kindern an ihnen vorbei käme.
Am Ende der Straße von Alt-Tegel steht die Dorfkirche Alt-Tegel, danach folgen rechterhand die Tegeler Seeterrassen. Schräg vor dem Lokal befindet sich seit 2007 das Wahrzeichen der Uferpromenade, das Geschenk der Partnergemeinde aus London-Greenwich, die rote Telefonzelle. Darin befindet sich sogar noch ein funktionstüchtig erscheinendes Telefon. Wer kein Smartphone dabei hat oder so etwas nicht besitzt, kann hier wie früher eine Münze einwerfen und losquasseln. Ein Stück weiter nördlich ist auch ein roter Briefkasten, der an einen Feuermelder erinnert, zu finden.

Welcome in Greenwich

„Very british, my darling! Das ist ein Geschenk von London-Greenwich an unseren Bezirk Reinickendorf, erkläre ich meiner Tochter al sie mich nach dem roten Kasten vor uns fragt. Wer sich für einen Moment nach England katapultieren möchte, dem sei ein Besuch der Greenwich Promenade empfohlen.

Die Uferpromenade

Musiker spielen auf der Bühne exotische Klänge für ihr Publikum, Kinder machen gigantische Seifenblasen, es gibt Stände für Waffeln. Ausflugsschiffe legen ab. Enten und Schwäne futtern sich durch das Buffet, dass die Passanten ihnen vor die Füße werfen. Hinter der Schiffsablegestelle flimmert das kleine Inselchen Hasselwerder auf dem Tegeler See. Es herrscht Festtagsstimmung an der Uferpromenade und wir sind mittendrin. Wir radeln weiter zum Tegeler Hafen und kommen linkerhand am Wasser an einem Pavillon, einer Minigolfanlage und einem Verleih für Tretboote vorbei. Rechts ragt ein Hochhaus auf. Die Aussicht von ganz oben dürfte grandios sein.

Tegeler Hafenbrücke, aka Sechserbrücke
Tegeler Hafenbrücke, aka Sechserbrücke

Ohne Zoll über die Sechserbrücke

An den Stufen der roten Sechserbrücke (offiziell heißt sie Tegeler Hafenbrücke) setze ich unsere Jüngste aus ihrem Fahrradsitz ab und wir verfrachten wir unsere Räder in die Schienen damit wir sie bequem an den Stufen vorbei hinauf schieben und so den Tegeler Fließ überqueren können. Die Kassenhäusschen der 91 Meter langen Brücke werden heute nicht mehr genutzt. Wir dürfen ohne einen Cent Brückenzoll zu bezahlen das denkmalgeschützte Bauwerk benutzen und den Ausblick nach rechts auf die Tegeler und die Humboldtinsel sowie Bibliothek genießen. Auf der anderen Seite stehen uns die Schienen wieder helfend zur Verfügung.

Spielplatz Campestraße Berlin-Reinickendorf
Spielplatz Campestraße Berlin-Reinickendorf

Auf den Spuren von Robinson Crusoe

An einem kleinen Gartenlokal vorbei überqueren wir die Gabrielenstraße und schlagen uns links neben der Campestraße einen Weg zwischen den Büschen hinein ins Grüne. Vor dem privaten Schlosspark Tegel liegt der Freizeitpark Tegel mit einem tollen 5.000 Quadratmeter großen Spielplatz. Während ich mich unter der Weide auf einem Holzpodest ausruhe, erobern die Kinder die blau umspülten Spielplatzinseln und verschwinden in die elf Meter lange Tunnelrutsche. Es ist ziemlich was los auf dem Spielplatz, aber im Vergleich zu manch einem Spielplatz in Mitte oder Prenzlauer Berg ist es hier noch leer. Ein paar Erwachsene versuchen das Wackelboot zum Kentern zu bringen. Aber sie schaffen es nicht.
Als sie endlich ihr imaginäres Ruder über Bord werfen, stechen meine Kleine und ich mit den hölzernen Wackelboot in See. Außerhalb des Spielplatzes gibt es ein Beachvolleyballfeld, eine Picknickwiese und eine Imbissbude für Pommes-rot-weiss-Fans.

v.l.n.r.: Dicke Marie, Tegeler Segelclub, Feuchtwiese und Blick zur Halbinsel Reiherwerder und Villa Borsig
v.l.n.r.: Dicke Marie, Tegeler Segelclub, Feuchtwiese und Blick zur Halbinsel Reiherwerder und Villa Borsig

Besuch der ältesten Dame Berlins

Ausgespielt zurück auf dem Fußgänger- und Radweg an der Großen Malche blicken wir über die Segelboote hinweg zur Halbinsel Reiherwerder und zur Villa Borsig. In diesem idyllischen Domizil werden zukünftige Diplomaten des Auswärtigen Amts ausgebildet. Kurz vor dem Ausflugslokal Waldhütte biegen wir rechts einen kleinen Weg hinein und besuchen die älteste Dame Berlins. Die dicke Marie wird auf 700 bis 1.000 Jahre geschätzt und misst einen stolzen Stammumfang von fast sechs Metern! Vermutlich hat sie den adligen Brüdern Humboldt ihren charmanten Namen zu verdanken, weil sie die Jungs an ihre wohlbeleibte Köchin erinnerte, verrät uns die kleine Tafel.

Badestelle Forsthaus, Tegeler See
Badestelle Forsthaus, Tegeler See

Badestelle am Forsthaus

Nach dem Stelldichein mit der Stieleiche biegen wir an einem umzäunten Feuchtgebiet in den Schwarzen Weg ein. Ein Segelclub schöner als der andere säumt unseren Weg bevor wir den geteerten Schwarzen Weg weiter gerade aus in den Tegeler Forst eindringen. Wir sausen an Kiefern, Eichen, Lärchen und hohen Buchen vorbei. Die Kinder geben Gas und sind eher als ich an der Badestelle am Forsthaus. Eine Entenfamilie kommt vom Sandstrand aus erwartungsfroh auf uns zugewatschelt. Jetzt hätte ich gerne einen Kaffee, aber die Gaststätte Toulouse steht leider schon lange leer.

Damwild, Wildtiergehege Tegeler See
Damwild, Wildtiergehege Tegeler See

Wildtiergehege Revierförsterei Tegelsee

Die Wildschweine sind da besser dran als wir. Sie knabbern gerade gierig an einer großen Portion Walnüssen, die eine Familie über den Zaun des Wildtiergeheges geschüttet hat. Ein großer Eber nimmt den Großteil für sich in Anspruch während die sieben Jungtiere kaum etwas abbekommen. Als ich einen Euro in den Schlitz des Futterautomatens werfe, kommt leider weder Futter noch meine Münze wieder raus. Schade, die Kinder sind betrübt. Das grazile Damwild im gegenüber liegenden Gehege nähert sich bedächtig dem Zaun. Insgesamt drei Jungtiere sollen in dem Gehege leben.

Wir fahren weiter den schwarzen Weg entlang und halten an, weil sich plötzlich eine große Schraube des Fahrradkindersitzes löst und klirrend auf den Asphalt fällt. Ein Passant hilft mir den Sitz wieder sicher zu befestigen. Währenddessen kippt die Stimmung bei meiner Tochter im wahrsten Sinne des Wortes. Sie verliert im Stehen irgendwie das Gleichgewicht und streift mit dem nackten Arm eine große Brennnessel. Pusteln bilden sich und der Schmerz ist groß. Die Bemerkung einer vorbei kommenden Dame, dass man aus Brennnesseln eine leckere Suppe kochen könne, tröstet meine Tochter nicht. Als die Schraube wieder an Ort und Stelle ist, können wir den Schwarzen Weg weiter geradeaus und vorbei an der Revierförsterei Tegelsee fahren. Hier gibt es Informationstafeln für interessierte Spaziergänger und Radfahrer wie uns, die verraten, dass der Tegeler Forst FSC zertifiziert ist. Danach beginnt ein offizieller Privatweg auf dem keine Autos oder Motorräder mehr zugelassen sind.

Streuobstwiese, Gerlachwiese im Tegeler Forst
Entspannen wie im Urlaub

Waldperle Gerlachwiese

Auf der rechten Seite treffen wir auf die Gerlachwiese. Auf diesem ehemaligen Lagerplatz für Brennholz blüht heute eine romantische Streuobstwiese. Der Förster und Familien haben hier gemeinsam alte Obstbaumarten angepflanzt. Auf einer Holzbank legen wir die Beine hoch, blicken auf die Wiese und genießen die Sonne. Derart ausgeruht schwingen wir uns wieder auf die Fahrradsitze und fahren links an der Wiese vorbei, biegen nach der Wiese rechts auf einen breiten Waldweg ab, und fahren an der nächsten Ecke nach rechts ab. Dort unterhält der Imkerverein Reinickendorf Mitte e.V. den Belegstand Tegeler See. Hier werden „sanfte, schwarmträge und robuste Stadtbienen für Berlin“ gezüchet, wie uns der Flyer am Zaun verrät. Leider ist heute kein Imker hier anzutreffen. Aber auf einer Infotafel können wir uns über die Bienchen informieren. Gegenüber ist eine schöne Wiese mit einer großen Picknicktafel. Hier können die Kinder noch einmal ordentlich toben bevor wir uns zurück auf den Weg machen.

Streuobstwiese, Gerlachwiese im Tegeler Forst
Wildblumen

Der Rückweg über Humboldt-Bibliothek und Tegeler Insel

Wir fahren den breiten leicht geschotterten Waldweg gerade aus bis wir den Schwarzen Weg kreuzen und biegen dort links ab. Wir kommen wieder an der Malche und dem Spielplatz vorbei bis wir zur Gabrielenstraße kommen. Wer hier nicht mehr über die Sechserbrücke zurück will, fährt wie wir die mit Einfamilienhäusern gesäumte Gabrielenstraße links rein und fährt gerade aus bis zu den Backsteingebäuden des Medical Park. Hier biegen wir rechts ab (An der Mühle) und dann wieder rechts auf Karolinenstraße (Fahrradweg ist vorhanden) in Richtung U-Bahnhof Alt-Tegel ein. Hier machen wir noch einen Abstecher zur Humboldt-Bibliothek. Läuft man an der Bücherei vorbei in Richtung Wasser führt eine Brücke hinüber zur Tegeler Insel. Die Insel ist zwar öffentlich begehbar, aber der dortige kleine Spielplatz auf der künstlichen Insel ist privat und verschlossen.

Radtour mit Kindern zur Humboldt-Bibliothek und Tegeler Insel
Humboldt-Bibliothek und Tegeler Insel

Adressen und Informationen

Hilfreiche Tipps für Radtouren mit Kindern im Fahrradsitz oder im Fahrradanhänger beziehungsweise mit Kindern auf dem eigenen Fahrrad gibt es hier: https://www.idealo.de/magazin/fahrradtouren/#mit-kindern

U Bahnstation Alt-Tegel (U6)

Tegeler Hafenbrücke (Sechserbrücke)

Freizeitpark Tegel

Dicke Marie

Badestelle Forsthaus

Wildgehege Tegeler Forst

Revierförsterei Tegelsee

Gerlachwiese

Humboldt-Bibliothek

Buchtipp für Outdoor Erlebnisse mit Kindern, egal ob zu Fuß, per Rad oder mit dem Kanu: „Wandern mit Kind, zu Fuß, per Rad, mit Kanu“

Buchtipp für noch mehr Radtouren: Die besten Radtouren rund um Berlin: 23 Tagestouren abseits des Autoverkehrs

Interview mit der Reittherapeutin Inga

StadtWaldKind: Liebe Inga, unsere beiden Kinder haben bei Dir das Voltigieren, also das turnerische und akrobatische Übungen auf einem sich an einer Longe im Kreis bewegenden Pferd, gelernt. Seit einiger Zeit bietest Du auch Reittherapiestunden mit Deinem Pferd an. Wie bist du dazu gekommen Reittherapeutin zu werden?

Inga: Ich habe auf einem Kinderbauernhof mein ökologisches Jahr gemacht. Damals gab es eine Situation mit einem stark behinderten Kind, mit dem ich gemeinsam eine Ziege fütterte. Das Kind hat sich so sehr über diese Ziege gefreut! Er konnte sie füttern und streicheln. Da habe ich gemerkt, dass es mich interessieren würde mit Kindern und mit Tieren zusammen zu arbeiten. Weil ich am meisten Erfahrung mit Pferden habe, habe ich das in der Reittherapie verwirklichen können. Für mich ist das ein absoluter Traumjob! Man hat diese Eins-zu-eins-Situation mit den Kindern und man sieht ziemlich schnell die Erfolge. Und die Interaktion zwischen Pferd und Kind ist toll. Die haben miteinander so ihre Dinge und ich bin dabei mehr die Zuschauerin und gebe Anregungen. Es ist ein ganz toller Beruf und es ist ganz schade, dass das von den Krankenkassen so wenig gefördert wird, weil die Ausbildung noch nicht voll anerkannt ist. Im Rahmen meiner Abschlussarbeit ist mir sehr deutlich geworden, wie effektiv diese Reittherapie ist. Sehr schade, dass diese Art der Therapie nicht anerkannter ist, aber vielleicht entwickelt sich da ja noch was.

StadtWaldKind: Was für Kinder kommen zu dir in die Reittherapie?

Inga: Vorrangig kommen zu mir Kinder, die so vier, fünf, sechs Jahre alt sind. Die noch so ein bisschen was aufzuholen haben, bevor sie in die Schule kommen. Und motorisch oder emotional einfach noch ein bisschen fitter werden sollen, um in der Schule gut mitzukommen. Und dann gibt es aber auch immer mehr junge Mädels zwischen neun bis 14 Jahren, die einen Ausgleich zu ihrem Alltag brauchen, weil sie sich in der Schule ganz schön ranhalten müssen.

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Unsere Tochter, damals 3 Jahre alt, beim rituellen Putzen bevor es los geht

StadtWaldKind: Wie lange arbeitest du in Regel mit den Kindern bis die Behandlung abgeschlossen ist?

Inga: Das ist ganz unterschiedlich. Bei manchen Kindern erstreckt sich das über einen längeren Zeitraum. Gerade für die Kinder, die einen Ausgleich für den Alltag brauchen, ist das mit einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren etwas Längeres. Es gibt auch solche Fälle, in denen das Kind innerhalb eines dreiviertel Jahres gut aufgeholt hat und dann einfach in die Schule entlassen werden kann und keinen Bedarf mehr hat. Aber meistens ist es so, dass die Kinder einfach gerne zum Reiten kommen und weitermachen wollen.

StadtWaldKind: Und das läuft wie ein ganz normaler Reitunterricht ab?

Inga: Genau, meistens geht das in ein normales Reiten über. Die Kinder wollen dann besser werden und würden ohne den Unterricht auch das Pferd vermissen. Die haben sich über den Zeitraum so eng aneinander gebunden.

StadtWaldKind: Wie baust du eine Beziehung zu dem Kind auf, das zu dir und deinem Pferd kommt?

Inga: Die Kinder bestimmen selbst die Geschwindigkeit und inwiefern sie das auch möchten. Die meisten brauchen nicht sehr lange. Ich habe ein Pferd, das eher ruhig, zurückhaltend und nicht so aufdringlich ist, was die meisten Kinder gerne mögen und dann viel Eigeninitiative zeigen. Und ich bin eigentlich mehr der Zuschauer und passe mich der Situation an und gebe höchstens Anreize. Also viel läuft auch über das Füttern. Dass die Kinder füttern oder das Pferd bürsten, solche pflegerischen Sachen. Das Tempo bestimmt aber immer das Kind.

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In der Longe

StadtWaldKind: Du hast einen 14 Jahre alten Tinker Wallach. Was ist das für ein Pferd? Was macht diese Pferderasse zu einem Therapietier?

Inga: Die Tinker kommen ursprünglich aus Irland. Das sind eigentlich Kutschenpferde und die haben es haben im Blut, dass sie eher ruhig und gelassen sind und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und das ist worauf die meisten Kinder gut ansprechen. Dass sie nicht das Gefühl bekommen, dass das Pferd unvorhergesehene Bewegungen macht, sondern sie es gut lesen können. Das Tier ist außerdem kontaktfreudig und auf jeden Fall unerschrocken. Aber sie sind auch ein bisschen faul und vielen Kindern ist das eigentlich eher angenehm. Sie stört es nicht, dass sie da keinen Flitzer haben, sondern sie schätzen es, mit meinem Pferd einfach eine ruhige und entspannte Zeit verbringen können. Tinker sind breit, so dass die Kinder viel Platz auf dem Rücken haben. Sie können sich auch ohne Sattel auf dem Tier breit machen und hinlegen. Es sehr gemütliche Pferde.

StadtWaldKind: Hast du dieses Pferd zu einem Reittherapiepferd ausgebildet?

Inga: Das meiste bringt mein Pferd sowieso schon mit. Der ist dazu geboren, behaupte ich. Aber wir haben natürlich auch ein ganz normales Training gemacht. Man nennt das Schrecktraining, damit er sich nicht erschreckt und auf Kommando still steht und auf Kommando die Gangarten wechselt. Aber das sind im Prinzip Trainingseinheiten, die jedes Reitpferd durchmacht. Und im Besonderen habe ich bei ihm darauf geachtet, dass er sich vorsichtig verhält. Ich hatte einmal eine Reitschülerin, die konnte gar nicht aufsteigen, die hat es körperlich nicht geschafft. Und dann hat sich das Pferd tatsächlich an der einen Seite so ein bisschen runtergebeugt. Er hat das Bein eingeknickt und dadurch kam sie besser rauf. Das sind Dinge, die kann ich ihm nicht beibringen, die macht er einfach von sich.

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Gestatten, ich bin der Tinker Lewin

StadtWaldKind: Das ist ja wunderbar, hört sich toll an! Jetzt nochmal konkreter, wie läuft eine Reittherapiestunde bei dir ab?

Inga: Es gibt einen groben strukturierte Rahmen, beziehungsweise eine Routine, die eigentlich immer eintritt, weil die Kinder das ein bisschen brauchen. Das fängt damit an, dass sie das Pferd begrüßen. Eventuell können sie es von der Weide holen, wenn sie sich das zutrauen. Und dann wird das Pferd immer erst einmal gebürstet. Und weil das zu lange dauern würde, sucht man sich meistens nur irgendwie die Mähne aus, oder nur den Bauch, oder da wo der Sattel liegt. Und dann, soweit die Kinder das können, dürfen sie mit satteln und ein Gebiss drauf machen. Und dann, je nachdem wie die Kinder das wünschen, geht es in die Natur oder auf den Reitplatz. Oder sie wollen an der Longe laufen. Und dann, das geht vielleicht so zwanzig, fünfundzwanzig Minuten, wird das Pferd versorgt und gefüttert und die Kinder verabschieden sich. Das ist der grobe Ablauf.

StadtWaldKind: Können die Kinder ihre Stunde mitgestalten und Vorschläge machen, was sie an einem bestimmten Tag gerne Besonderes machen möchten?

Inga: Mir ist es immer ganz wichtig, dass die Kinder viel mitgestalten. Meistens ist es aber so, dass sie eher zurückhaltend sind und anfangs nicht so viele Ideen haben. Viele Kinder kommen ja auch, weil sie eher schüchtern sind und sie lernen es im Laufe der Zeit. Ich mache verschiedene Angebote, sie suchen sich etwas aus und vielleicht nach einem halben Jahr sind die Ersten in der Lage sich etwas zu wünschen. Und manchmal entscheide ich mich auch in der Situation um, mache dann noch was anderes, wenn ich das Gefühl habe, das passt jetzt nicht, oder es ist irgendwie der Baumstamm auf dem Weg zu spannend. Das ist also ganz situationsorientiert. Das kenne ich aus der Erzieherausbildung und das ist bei mir ganz wichtig. Ich möchte nicht immer nur das Lernziel verfolgen: Was soll das Kind mitnehmen? Sondern ich möchte dann mehr in der Situation darauf eingehen, was das Kind braucht.

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StadtWaldKind: Warum denkst du ist eine Beziehung von Pferd und Mensch so eine besondere Beziehung? Das hört man ja immer wieder.

Inga: Dazu gibt es natürlich viele Meinungen und das wird auch erforscht. Die grobe Ansicht ist, dass wir auch Herdentiere sind, so wie Pferde auch. Und wir haben in der Kommunikation vieles gemeinsam und die Kinder können deshalb so viel vom Pferd lernen. Vieles findet nonverbal statt, was bei Kinder ja auch viel stattfindet. Viel mehr als vielleicht noch als bei uns Erwachsenen. Pferde erkennen diese Signale ganz stark und reagieren darauf. Und sind dadurch ein guter Spiegel für uns Menschen. Das ist, was wir wollen: Wir wollen gespiegelt bekommen, wie wir reagieren und was uns sozusagen im Alltag hilft. Dass wir genauer wahrnehmen, was wir gut können, oder nicht so gut können. Pferde haben eine Art das höflich zu verpacken. Das ist nochmal ganz etwas anderes als zum Beispiel mit einem Hund, der ja nun ein Raubtier und auch viel dominanter ist. Pferde können das subtiler. Ein Pferd ist natürlich auch nicht ohne, so ein Pferd kann einen auch mal auf den Fuß treten, oder einen umrempeln oder so, aber das passiert eher selten. Besonders nicht bei den Kindern. Es ist also ein ganz breites Feld, aber aus meiner Erfahrung ist es so, dass die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd einfach total gut funktioniert!

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Unsere beiden Kinder beim Ausreiten in den Wald

StadtWaldKind: Welche Entwicklung kannst du im Laufe der Therapie im Bezug auf die Beziehung des Kindes zum Pferd und im Bezug auf die geistige und körperliche Entwicklung beim Kind beobachten?

Inga: Das ist ganz spannend! Als erstes sehe ich es meistens beim Pferd. Mein Pferd kennt die Kinder nach ziemlich kurzer Zeit schon und reagiert entsprechend. Wenn ich ein Kind habe, das immer ein bisschen ruppiger ist und ganz klar sagt, was es will, da ist der Lewin auch viel herausfordernder und möchte immer ganz klar von dem Kind wissen: Wie soll ich jetzt was machen? Und dann habe ich Mädels, die sind so ganz sensibel und fein und agieren eher so subtil und gedanklich. Und darauf reagiert er auch. Daran sehe ich immer als erstes, ob die Kommunikation stimmt und woran wir noch arbeiten müssen. Und der Zeitraum, in dem man bei den Kindern so richtig eine Veränderung sieht, tritt bestimmt erst in einem halben bis dreiviertel Jahr ein. Es kommt auch ganz stark aufs Kind an. Ich habe halt eher die Zurückgezogenen, da sieht man die Veränderungen erst etwas später.

StadtWaldKind: In der Pädagogik wird häufig von der Bedeutung des ganzheitlichen Lernens gesprochen. Inwiefern wird dieser Ansatz in der Reittherapie angewendet? So ein bisschen hast du ja schon drauf angespielt.

Inga: Ich finde, das die Reittherapie sehr ganzheitlich ist, weil eben alle Sinne so stark angesprochen werden. Es kommt ja auch immer noch der Naturbezug dazu. Bei mir findet der Reitunterricht eher nicht in der Halle statt, wo wenig Anreize sind, sondern meistens in der Natur. Und in der Umgebung kommen immer so viele Aspekte hinzu. Ich beziehe auch gerne die Eltern mit ein, wenn es gewünscht ist. Oft gibt es kleine Schwierigkeiten in der Beziehung unter den Eltern und den Kindern. Das lässt sich ganz einfach einbauen, ohne dass die beiden davon etwas mitkriegen.

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StadtWaldKind: Arbeitest du auch mit Erwachsenen? Macht es auch für sie Sinn eine Reittherapie zu machen?

Inga: Auf jeden Fall. Der klassische Fall ist, wenn jemand in einer Depression steckt. Zu mir kam einmal ein Mann wegen Depression und Burnout zum Reiten. Reittherapie ist eine ganz klassische Therapie für dieses Krankheitsbild. Das gibt es auch für Traumapatienten und Angststörungen. Die Depression ist der Klassiker, weil die Leute aus ihren vier Wänden rauskommen und in die Natur gehen und sich auf ihr Gegenüber offen einlassen müssen.

StadtWaldKind: Vielen Dank für das Interview, liebe Inga und weiterhin alles Gute und viel Erfolg mit Deiner wertvollen Arbeit!

Wenn Ihr neugierig geworden seid und Interesse an einer Reittherapiestunde mit Inga und ihrem Tinker habt, schreibt bitte eine E-Mail an post (at) stadtwaldkind punkt de.

Wer sich in das Thema gerne hineinlesen möchte, dem kann Inga folgende Fachliteratur empfehlen:

Hautnah, wie Pferde verletzte Seelen heilen, von Ute Wilhelms

Erlebnispädagogik mit der Pferd: Erprobte Projekte aus der Praxis von Marianne Gäng

Dokus/ Reportagen zum Thema Pferde: „Die Geschichte von Pferd und Mensch“, arte Mediathek verfügbar bis 19.5.19

Mit Kindern im Wildpark-MV unterwegs

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Raubfische wie Hechte, Forellen, Barsche sowie Friedfische wie Karpfen, Rotfedern, Plötze, Karauschen und Döbel ziehen im Natur-Aquarium über und neben uns vorbei. Im Aquatunnel des Informationszentrums, das sich an den Kassenbereich anschließt, haben wir beinahe das Gefühl mit ihnen schwimmen zu können. Unsere Nasen und Ohren können wir an mehreren Stationen für die Umwelt schärfen.

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Der Wind pfeift und wir klettern über eine wacklige Holzbrücke oberhalb eines Wildtiergeheges des Wildpark-MV im Osten der Stadt Güstrow. Drei wunderschöne Luchse schleichen auf leisen Pfoten und mit gespitzten langhaarigen Öhrchen unter uns entlang. Ihr Schwanz ist erstaunlich kurz und endet in einer schwarzen kuschligen Spitze. So gut wie Katzen können sie damit bestimmt nicht springen, vermute ich im Stillen. Besser gesagt hoffe ich es, damit sie nicht zu uns hinauf springen können. Aber ein Rendez-vous mit dem Elektrozaun unter uns, würde ihnen bestimmt nicht gefallen. Allerdings interessieren sich die hübschen Tiere viel weniger für uns als wir für sie. Kein Wunder bei dem großzügigen Gehege, das in diesen 200 Hektar großen Waldpark angelegt ist.

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Früher wurde der Luchs vorwiegend wegen seines kostbaren Pelzes und weil er als „Jagdschädling“ galt, gejagt. In den letzten Jahren scheint sich der Luchsbestand langsam zu erholen.

Zuvor sind wir über den kleineren Wildkatzen entlang gekrachselt. Im schnuckligen Baumhaus Bärenblick machen wir eine kurze Pause und beobachten einen Luchs wie er sich im Unterholz versteckt. Eine Holztreppe weiter und schon krabbeln unsere Kinder mit einer Taschenlampe in einen Tunnelgang. Wir Eltern sind zu groß für den engen Weg und nehmen einen breiteren und höheren Tunnel. Kurze Zeit später treffen wir unsere Kids in einer Wolfshöhe. Eine Höhle ohne Wölfe drin, sei hier für besorgte Leser angemerkt. Weiter geht es zur urigen Wolfshütte. Am Ofen, Etagenbett, einer Holztruhe und zahlreichen an einer Wand befestigten Wolfsfallen und Werkzeugen vorbei, geht es ins Untergeschoss und von dort aus einen halbunterirdischen Gang der oberhalb unserer Köpfe mit einem Maschendraht gesichert ist. Von hier stehen wir plötzlich Aug‘ in Aug‘ mit den Wölfen. Das Wolfspaar Nena und Nevin und ihr Nachwuchs sind sehr aufgeregt und schnauben nervös, weil die Wärter sich erdreisten, ihre Käfigtür von außen zu reinigen. Ob sie wohl versucht haben auszubüchsen? Schade, dass wir die Tiere nicht befragen können.

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Lupus

Außer den nervösen Wölfen haben wir noch ein stolzes Seeadlerpärchen besucht. Leider haben sie wohl gerade keine Lust sich in die Lüfte zu schwingen, so dass wir ihre eindrucksvolle Größe nicht bewundern können. Wahrscheinlich lohnt sich der Aufwand für die Vögel nicht, da das Deckennetz ihrer Voliere zu niedrig für einen Spritzflug erscheint.

Die Braunbärenbrüder Fred und Frode befinden sich gerade im Winterschlaf (dieser dauert von November bis Februar) und lassen ihr zwei Hektar großes Bärengehege mit Kletterbäumen, einem plätschernden Bach, einem Waldsee und einem Berg zum Höhlengraben, einfach nur ein Gehege sein. Aber in den Taststationen können wir dafür Fell und Zähne fühlen. In einer Ecke des Bärendomizils begrüßt uns ein ausgestopfter stehender großer Bär.

Auf so manchen Waldwegen fühlen wir uns zur Abwechslung einmal beobachtet. Rehe und Hirsche blicken im sicheren Abstand von den Hügeln aus zu uns hinunter.

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Mit donnerndem Getrampel kommen mehrere 800 Kilogramm schwere Heckrinder auf uns zu gerannt. Angelockt durch ein paar Brotscheiben, haben wir das Glück ihnen so nahe zu kommen, dass wir sie über den Holzzaun hinweg streicheln könnten. Eine Tierpflegerin erklärt derweil, dass die kräftigen Tiere von den ausgestorbenen und noch kräftigeren Aucherochsen abstammen und von den Gebrüdern Heck 1920 gezüchtet wurden.

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Solch eine große Spinne haben wir noch nie gesehen! Und man kann sogar in das Krabbeltierchen hinein klettern. Natürlich ist hier nicht eine echte Spinne, sondern eine aus Metall, die auf einem großzügigen Spielplatz auf acht Beinen im die Höhe ragt. Hinter ihr befindet sich ein großes Kletternetz und ein Gebäude mit einem Café und einer Ausstellung. Eine Seilbahn führt über einen kleinen Bach hinweg. Das ist natürlich der Hotspot für unsere Kinder. Zum Glück schützt ein Kletternetz über dem Rinnsal vor nasser Kleidung. Die Kleinsten unter den Kindern sind nun vom vielen Laufen erschöpft, so dass wir unseren Rudngang hier beenden und die Moorleiche rechts liegen lassen. Stattdessen laufen wir zurück zum Parkplatz. Uns hat es so gut gefallen, dass wir gerne wieder herkommen und uns den Teil des weitläufigen Naturparks ansehen möchten, den wir beim ersten Rundgang nicht geschafft haben.

Wildpark-MV
https://www.wildpark-mv.de


Familienalltag und Umweltschutz – Was können wir gegen das Insektensterben unternehmen?

summ summ summ, Bienen werden leider immer seltener

Schwarzmalerei mag ich gar nicht und ich bin auch keine Umweltaktivistin. Der Klimawandel, die Vermüllung unserer Meere, der Einsatz von giftigen Pflanzenschutzmitteln und die damit verbundenen Konsequenzen in Flora und Fauna, die eines Tages unsere Kinder tragen müssen, machen mir dennoch sehr zu schaffen. Wenn ich mir allein unseren kleinen Familienalltag vor Augen rufe und darüber nachdenke, wie wir mit Ressourcen umgehen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Wenigstens fahre ich im Winter mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Frühling, Sommer und Herbst mit dem Fahrrad zur Arbeit und versuche somit das Auto so wenig wie möglich zu nutzen und kaufe und verkaufe Kleidung 2nd Hand. Außerdem fangen wir das Regenwasser auf und uns nutzen es zum Wässern des Gartens, legen Bienen freundliche Blumenbeete an, haben einen Bio-Kompostierer, ein kleines Insektenhotel, verarbeiten das Obst und Gemüse in unserem Garten zu Säften und leckeren Gerichten, trennen prenibel unseren Müll, und verwenden Brandweinessig statt Weichspüler, haben kein Silvesterfeuerwerk (dafür aber diese bösen LED-Luftballons) mit versuche ich mich selbst in solch nachdenklichen Momenten zu beruhigen.

Wenn ich konsequent wäre, müsste ich allerdings auf Zero Waste setzen, ausschließlich das essen, was in unserem Garten oder in dem um die Ecke wächst, unsere kompletten Hygieneartikel aus biologisch abbaubaren Substanzen selbst herstellen, alles was mit Weichmachern zu tun hat, aus dem Haus verbannen, eine Solaranlage aufs Hausdach stellen (was wir übrigens bereits versucht haben, aber bisher von unseren Reihenhausnachbarn verhindert wurde), wegen seiner Feinstaubproduktion den schönen Kamin zumauern, unsere Autos und das Wohnmobil gegen ein E-Auto umtauschen, dürfte nie wieder mit dem Flugzeug fliegen und keine neue Kleidung, keine Luftballons und Überraschungseier mehr kaufen. Und das ist sicherlich noch nicht alles, was ich tun könnte. Jede einzelne Maßnahme wäre sicherlich sinnvoll und würde unseren Kindern zeigen, dass wir etwas tun, das es uns nicht egal ist, wie wir ihnen und allen anderen den Planeten Erde hinterlassen. Doch allein schon beim Auflisten dieser umweltschonenden Maßnahmen schwirrt mir der Kopf. Zum einen, weil ich nicht weiß, wie ich all dies schaffen soll und zum anderen, weil ich nicht all meine Bequemlichkeiten und Leidenschaften (zum Beispiel für Avocados und andere exotische Früchte von weither sowie Wohnmobil- und Flugreisen) aufgeben möchte.

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Argumente, das solche umweltschonenden Maßnahmen doch nichts bringen, weil die breite Masse doch nicht mitmache und die Industrie sowieso den größten Dreck verursache, lasse ich nicht gelten. Denke und handelte man nach dieser Logik und überträge man sie in weitere Lebensbereiche, wäre unsere Welt schon lange verloren und es gäbe keine Moral mehr. Zwar möchte ich nicht als Moralapostel daherkommen, aber der kategorische Imperativ, ist an dieser Stelle wohl angebracht, oder nicht? Deshalb komme ich aber noch lange nicht mit der Umweltkeule um die Ecke und krempele unseren Haushalt und unser Leben von einem auf den anderen Tag um. Aber ich kann und möchte Schritt für Schritt etwas tun.

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Was tun gegen das Insektensterben?

Maßnahmen für Jedermann und -frau zum Schutz von Insekten

Zum Beispiel kann ich damit anfangen, etwas für die Insekten zu tun. Sei es durch noch gezielteren Einkauf von Biolebensmitteln, die nicht mit Pestiziden behandelt werden oder auch das Anpflanzen von Bienenweiden (also Blumen und Kräuter, die als Nahrungsgrundlage für Insekten dienen) in der Stadt (Stichwort Samenbomben) und das Platzieren von weiteren Insektenhotels.

Doch auch wer nichts anpflanzen kann, hat die Möglichkeit, Kampagnen zu unterstützen, die Lebensraum für Insekten Schafen. So bin ich zum Beispiel auf die Crowdfunding-Kampagne von Naturfelder gestoßen. Die Kampagne hat sich zum Ziel gesetzt, kommerzielle Felder in Insektenlebensräume umzuwandeln. Normale Landwirtschaftsflächen in Deutschland sollen somit nachhaltig in Insektenhabitate werden.

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Die Kampagne Naturfelder

Schon für acht Euro kann man für ein Jahr einen Quadratmeter Blühstreifen errichten lassen. Die Crowdfunding-Kampagne läuft noch bis zum 31.1.19 auf Startnext.

Die Buchung der Naturfelder ist einfach: Unterstützer wählen aus Blühstreifen, Blühwiese und Vollhabitat ihr bevorzugtes Paket in der gewünschten Quadratmeterzahl. Entsprechend viel Ackerfläche wandelt Naturfelder.de in Lebensraum für Insekten um. Das fängt ab acht Euro pro Quadratmeter und Jahr an. Mitstreiter erhalten ein Zertifikat über ihre Teilnahme und können die Dokumentation der Naturfelder online mitverfolgen.

„Das Projekt befindet sich gerade in der konkreten Startphase. Mit einer Crowdfunding-Kampagne suchen wir nach Unterstützern für das erste Naturfeld, das Anfang 2019 in Issum eingesät und aufgebaut werden soll.“, so Michael Reuter, einer der beiden Geschäftsführer.

Dahinter steht folgende Dienstleistung: Landwirte stellen ihre Flächen zur Verfügung, bereiten den Boden vor und säen die Blühmischungen aus. Sie sorgen im Fall von Dürre ferner für eine Notbewässerung. Zusammen mit Gartenbaubetrieben stellt Naturfelder.de die Habitate fertig. Stauden werden gesät und je Hektar 200 weitere vorgezogene Stauden gepflanzt. Fünf große Insektenhotels und fünf Bodenhabitate werden eingerichtet. Danach bleiben die Felder ungestört und bieten Insekten Rückzugsorte, Futter und Nistplätze. Unterstützer finanzieren mit ihrem Engagement nicht nur die Erstellung des ersten Naturfeldes. Weitere Mittel fließen in die Entwicklung der Internet-Plattform, die zeitgleich weiterentwickelt wird.
Naturfelder.de ist eine Initiative der aquaponik manufaktur GmbH (APM) einem Unternehmen mit vier Mitarbeitern in Issum am Niederrhein. Kerngeschäft der APM ist die Planung und Realisation von Aquaponik-Anlagen.

Ich freue mich auf jeden Fll schon auf unser Zertifikat. Weitere Infos zur Kampagne findet Ihr unter Naturfelder.de

4 Schmetterlinge – unser Insektenabenteuer

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Ab in die Freiheit!

„Es waren ein mal vier Raupen: Düsentrieb, Isabell, Sebastian und Nemo. Sie wuchsen glücklich in ihrem Habitat auf. Nachdem Verpuppen, schlüpften sie und wir ließen sie frei. Als erstes haben wir Nemo auf eine Blüte gesetzt. Wir hoffen, sie leben glücklich bis an ihr Ende.“

Diese Kurzgeschichte hat meine Tochter geschrieben, mit der ich gerade – eine Anti-Läuse-Tinktur auf dem Kopf tragend – übe, auf der Computertastatur zu tippen. Was sich genau hinter der Geschichte mit Düsentrieb, Isabell, Sebastian und Nemo verbirgt, löse ich nun auf.

Unser Schmetterlingsgarten

Vor ein paar Wochen haben wir den Raupen-Gutschein online eingelöst (ein Geburtstagsgeschenk eines Schulfreundes meiner Tochter – vielen Dank nochmal an dieser Stelle für das tolle Geschenk!) und bekamen ein paar Tage später ein kleines Päckchen. Darin steckte ein Becher mit Baby-Raupen und etwas Futter. Danach begann das Insektenabenteuer. An einem schattigen Platz im Haus ließen wir ihnen Zeit zum Fressen und Wachsen bis sie – à la Raupe Nimersatt – ungefähr das Zehnfache ihrer ursprünglichen Größe erreichten. Als sie begannen sich kopfüber am Deckel des Bechers zu hängen, war es endlich Zeit zum Umziehen in ihr luftiges Habitat bestehend aus einem feinen Netzkorb. Darin verwandelten sie sich nach und nach in Schmetterlingspuppen. Unsere Kinder haben ein paar Blüten und Blätter hinein gelegt damit sich die Insekten dort wohler fühlen :-).

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Heute ist es dann endlich so weit. Die Metamorphose ist vorbei! Aus den Puppen schlüpfen wunderschöne bunte Schmetterlinge, die langsam anfangen sich in ihrem Zuhause zu bewegen. Im Garten haben wir glücklicherweise eine schöne große violete Blütenstaude, die Schmetterlinge so lieben (Grund dafür ist das UV-Licht, das bei dieser Blütenfarbe stärker reflektiert wird). Und genau auf einer Blüte dieser Pflanze lassen wir unsere Schützlingen nun frei. Dort warten bereits ihre Artgenossen auf unsere vier Distelfalter… Zum Glück macht es den Schmetterlingen nichts aus, das wir mit komischen öligen Haaren um sie herum stehen.

Warum wir Schmetterlinge so mögen und sie so wichtig sind

Die zarten Insekten sind nicht nur schön. Sie tragen auch zu einem ausgeglichenen Kleinökosystem indem sie zum Beispiel die Gartenpflanzen bestäuben und so zu ihrer Verbreitung beitragen. Leider stehen bereits über 60 Prozent der Falter, darunter sowohl Tag- als auch Nachtfalter, auf der Roten Liste. Warum? Der erhöhte Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln und das Pflanzen von Monokulturen zerstören die Lebensräume der Schmetterlinge und somit auch die Lebensräume der Vögel, die sich mitunter von Faltern ernähren. Wer einen Schmetterlingsgarten mit Blütenstauden, Blütengehölze, Wildpflanzen oder Kletterpflanzen wie Efeu, Wein oder Hopfen anlegt, trägt damit aktiv zum Artenschutz der Falter bei und gärtnert naturnah und nachhaltig.

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Wo gibt es solch einen Schmetterlingsgarten und wo können Baby-Rauen bestellt werden?

Wir haben die Baby-Raupen bei Insectlore bestellt. Die Raupen können von März bis September verschickt werden. Insgesamt dauert es circa 3-5 Wochen bis die Schmetterlinge schlüpfen. Bei ihrer Freilassung sollte draußen mindestens eine Temperatur von zehn Gard Celsius bestehen. Das muss man bei bevorstehenden Urlauben mit einplanen.

Insectlore:www.insectlore.co.uk

Schwedenurlaub fern der Welt mit Bullerbü-Effekt

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Der beste Tag der Welt soll jeden Tag sein!

Familienurlaub in Värmland, Mittelschweden

Der See und das Eis erklingen in ihrem ganz eigenen Beat. Glummp, blummp, bumm kommt es aus der Tiefe unter uns. Die Fichten und Birken auf den Inseln schweigen stramm dazu. Es weht kein Lufthauch. Das Eis knackt. Es war ganz nah. Wir sind verunsichert und schauen uns um. Links von uns fährt ein Großvater mit seinem Enkelsohn am Steuer des Quats über das Eis. Zwei Schlitten mit weiteren Kids hat er im Schlepptau. Er fährt Kurven und die Kinder jauchzen vor Vergnügen. Eigentlich sind die Kinder Katzen. Zumindest sind sie im Gesucht so angemalt. „Guten Tag!“, er hält an um uns zu grüßen und wir plaudern auf Englisch ein wenig mit ihm. Die Begrüßung ist nämlich das einzige, was er auf deutsch sagen kann und wir können leider nur genauso viel auf schwedisch zu ihm sagen. Wir ziehen unsere Töchter auf einem Schlittenschale an einem Seil zurück an Land. Ein Paar mit schwarzem Hund kreuzt unseren Weg. Der Vierbeiner hat sichtlich Freude beim Toben auf dem völlig zugeschneiten Värmelnsee. Es sind ein paar Grad über Null, obwohl es Ostern ist. Der Winter hält das Värmland, wie diese Region in Mittelschweden genannt wird, noch fest im Griff. Bereits als wir im Morgengrauen am Hafen von Trelleborg mit unserem Auto von der Fähre rollten, begrüsste uns eine dick verschneite Landschaft. Letztes Jahr waren wir zur gleichen Zeit in Südschweden und hatten dort frühlingshaftes Wetter (bis auf Ostersonntag als die Eier im Schneematsch steckten). Nun sind wir allerdings ein gutes Stück weiter nördlich. Das norwegische Oslo liegt für uns näher als die zweitgrößte schwedische Stadt, Göteborg. Wenigstens kommen die Kinder somit in diesem Jahr noch in den Genuss des Schnees! Berlin hat uns im letzten Winter damit nicht belohnt.

Wieder auf unserem Grundstück angekommen, entfachen wir ein Lagerfeuer um auf dem Schwenkgrill unserer Abendessen zu grillen. Die Kinder rodeln derweil mit dem Schlitten den Hang hinab zum Värmeln. Der See gehört zu den größeren Seen in Värmland. ZU gern würden wir mit dem Motorboot oder dem Kajak, die zum Haus dazu gehören, ein paar Runden über den See drehen. Aber daran ist bei der dicken Eisschicht nicht zu denken. Das Wasser hat sich abgesenkt, weil es vom Eis nach unten gedrückt wird. Dadurch ist der Hang noch steiler und die Kinder segeln weit hinaus aufs Eis und stellen neue Rekorde auf. Hinter uns leuchtet unser Ferienhaus im typisch schwedischen Falunrot vor dem blauen Himmel. Dahinter befindet sich noch eine kleine Gästehütte sowie eine Garage und vorne am Wasser ist das Saunahaus mit Steg. So wie in den Petterson & Findus Büchern stehen auf jedem Grundstück mehrere Hütten. Das Haus gehört einer Familie aus Hamburg, die es sehr liebevoll eingerichtet und ausgestattet hat. Es ist das erste Ferienhaus mit scharfen Messern in der Küche. Außerdem hat es einen Kaminofen, Fernseher mit Satellitenempfang, DVD-Player, Backofen, Spülmaschine und eine Waschmaschine. Gefunden haben wir es über die Buchungsplattform fewodirekt. Zwischen Januar und Mai und vor Weihnachten gibt es reichlich Auswahl was Ferienhäuser in Schweden betrifft. In der Zeit von Mai bis September sind die schönen Häuser lange im voraus ausgebucht.

Nach dem Essen schwitzen wir in der Sauna und reiben uns auf dem Steg mit dem knirschenden Schnee ab. Gleichzeitig ist in unserer Heimatstadt Berlin der Frühling eingezogen. Doch unser Platz ist hier. Die Stille, der weite Blick über das Eis. Uns geht es sehr gut hier. Die Landschaft in Värmland hat etwas besonders ursprüngliches und natürliches, was aus unserer Sicht in Kontinentaleuropa kaum noch in dem Ausmaß und in der Schönheit zu finden ist.

Im Gästebuch des Hauses stehen auf einer der Seiten folgende Grönemeyerzeilen, die auch auf unsere Stimmung zutriffen: „… ein Stück vom Himmel, ein Platz von Gott, ein Stuhl im Orbit, wir sitzen alle in einem Boot. Dies ist mein Haus, das ist was zählt, wir sind überdacht von einer grandiosen Welt…“. Als das Abendessen verputzt ist, erscheint ein riesiger Vollmond über den Baumwipfeln und steigt ziemlich rasch hoch. Er muss wohl auch im Süden Europas besonders groß gewesen sein, wie ich von einer Bekannten auf Mallorca lese. Langsam lassen wir das Feuer ausgehen und stapfen den Hang hinauf ins Haus.

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Der Parkplatz als Kunstwerk

Bummeln durch Arvika

Für den Osterzopf brauchen wir noch ein paar Zutaten und verlassen unser stilles Nest. In Arvika, der Kreisstadt, die so klingt wie eine Schrifttypografie, parken wir direkt vor einem Kunstwerk. Jugendliche haben eine Hauswand in allen Farben bemalt. Wir schlendern zum Markt, der im Internet gepriesen wurde und sind enttäuscht, dass dort außer einem „alles für 10 Kronen“ Stand und einem winzigen Trödelwarentisch nichts zu entdecken ist. Dafür finden wir in einem Partydekorationsgeschäft lauter lustigen Kram für die nächsten Kindergeburtstage. In der Fußgängerzone spähen wir in ein paar hübsch dekorierte Schaufenster von Blumen-, Strick-, Tee und Bekleidungsgeschäften. Das große Spielzeuggeschäft ist für unsere Mädels ein Paradies.

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Arvika, Hauptort der gleichnamigen Gemeinde Värmland

Gegenüber eines kleinen hübschen Kinderbekleidungsgeschäfts raucht auf der Hauswand ein schwedischer Seemann seine gemalte Pfeife. Wenn er sprechen könnte, hätte er uns sicher eine Menge Seemannsgarn erzählt.
Den Osterzopf haben wir nicht vergessen und decken uns im sehr gut sortierten Coop Supermarkt mit reichlich Lebensmitteln ein. Das einzige, was hier nicht zu kaufen gibt, ist Wein und andere harte Alkoholika. Den Stoff gibt es nur in staatlich zertifizierten Spirituosenläden. die Supermärkte haben dafür jeden Tag – auch am Wochenende – durchgängig von morgens bis spät abends geöffnet.

 

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Raggare, ein lustiges Hobby der Schweden

Olditmer-Show auf der Straße

Das hiesige Oldtimermuseum und die Kunsthalle lassen wir für heute ausfallen. Wir wollen zurück in unser rotes Haus am See. Das Schwimmbad heben wir uns für einen Regentag auf. Auf dem Heimweg erhalten wir kostenfreien Einblick in einen sehr lustigen schwedischen Nischentrend, der in starken Kontrast zum ordentlichen Schweden steht. Junge Leute fahren in alten amerikanischen Schlitten bei herunter gelassenen Fenstern und lauter Musik im Schritttempo durch die Stadt. Auf der Tankstelle dösen polierte Chevrolets, Buiks, alte Volvos und zerbeulte Cadillacs in der Sonne. Um sie herum wachen ihre Liebhaber. Schwedische Hipster und Rockabillies friedlich vereint mit einem Bier in der Hand. Auch auf der Straße tuckern die Oldtimer uns entgegen. Diese Subkultur heißt Raggare und erinnert uns an die Schrottautos auf dem Autofriedhof, den wir letztes Jahr im smaländischen Moor Kyrkö Mosse besuchten. Das Raggare-Treffen, das Anfang Juni in Västeräs stattfinden soll, wäre uns auch eine Schwedenreise wert!

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Waldspaziergang

Der Wald hat uns zurück oder besser gesagt umgekehrt. Wir starten einen Spaziergang von unserem Haus aus. Wir haben über die Gpsy-App einen nahe gelegenen See im Wald identifiziert. Die Straße ist glatt und wir müssen aufpassen nicht hinzufallen wir am Tag unserer Anreise. Das Gefühl, wie zuerst mein Rücken und dann mein Hinterkopf auf dem Boden aufschlägt, möchte ich nicht noch einmal empfinden. Wir schaffen es ohne Unfall in den Wald.

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Wer ist hier wohl entlang spaziert?

Rätselhafte Spuren im Schnee

Ab und zu entdecken wir Spuren von Tieren im Schnee und rätseln, ob sie zu einem Reh gehören. Oder vielleicht sogar dem Osterhasen? Vom Elch können sie auf jeden Fall nicht stammen. Dafür sind die Spuren leider viel zu klein. Vielleicht gehören die Spuren aber auch zu einem Dunkeltroll oder einem Graugnom? Die Wichte und Fabelwesen halten sich vor uns versteckt. Aber sicher beobachtet uns der ein oder andere Kumpel von Astrid Lindgren hinter dem Stamm einer der Fichten. Die Bäume sind so hoch, dass wir den Kopf in den Nacken legen müssen, wollen wir ihre Spitze sehen. Gut sehen können wir allerdings nicht, weil die Sonne uns blendet. Der Schnee reflektiert das Licht auch noch. Unsere Sonnenbrillen haben wir zuhause in Berlin liegen gelassen. In Värmland soll es neben 30.000 frei herumlaufenden Elchen an die 50 Luchse, unzählige Fielfraße (ja, die heißen wirklich so und stammen aus der Familie der Mader) und Biber, nur 220 Wölfe sowie ein paar durchziehende junge Bären geben. An die 3.000 Braunbären (Stand August 2011) pendeln durch Schweden. Nur 17 von ihnen nennen Värmland ihr Zuhause, obwohl hier 70% der Fläche von Wald bedeckt ist. Zuletzt soll hier im Jahr 1902 ein Bär einen Jäger getötet haben, der ihn zuvor angeschossen hatte. So kann es gehen. Meister Petz hält bestimmt gerade in einem angrenzenden Revier seinen wohl verdienten Winterschlaf und zehrt von seinen im Sommer und Herbst gesammelten Blaubeeren, Pilzen, Honig sowie gefangenen Fischen.

Der geheime Hütte im Wald

Knarz. Die Tür zu einer kleinen roten öffentlichen Fischerhütte öffnet sich. Drinnen trocknet Holz, auf dem Tisch liegt ein Gästebuch. An der Wand ein selbst gemaltes Bild vom Wald und Jägern. Ein Glas mit schimmligen Kaffee steht neben elektrischen Kochplatten. Der erste Eintrag des Gästebuchs stammt aus den 80er Jahren. Auf dem Fensterbrett warten eine Petroleumlampe und ein deutscher Bierkrug auf eine gesellige Nacht. Wir setzen uns auf der Terrasse auf eine Bank und blicken über das Schilf auf einen kleinen verschneiten friedlichen Waldsee. Um hier angeln zu können, bräuchte es jetzt eine Spitzhacke. Dann müssten wir eine kleine Fichte ins Loch stopfen, warten bis kleine Fische an ihnen knabbern, um dann ihre Jäger, großen Fische, zu angeln. So machen es unsere benachbarten Fischer zumindest auf dem Värmelnsee.
Statt gebratener Fisch duftet der frische weiche Osterzopf mit Hagelzucker duftet vor uns auf dem Tisch und ist bald verschwunden.

Wir stapfen über durch den tiefen Schnee einmal um den See herum. Die Füße versinken darin. Nach einer sechs Kilometer langen Wanderung kommen wir zuerst an einem alten Schuppen mit alten Bauerngerätschaften und dann an einem Bauernhof vorbei auf dem uns ein neugieriger schwedischer Schafbock beäugt. Stolz steht er unter nackten Apfelbäumen auf der einzigen Fläche, die nicht mit Schnee, sondern mit Sägespänen bedeckt ist. Ein blau-gelber Wimpel flattert über uns an einem hohen Mast. Eigentlich müsste die schwedische Nationalfahne nicht blau-gelb, sondern so Falunrot wie die Häuser sein. Dieses warme dunkle Rot soll übrigens als Abfallprodukt des Kupferbergwerks von Faluröd entstanden sein. Das Bergwerk wurde in den 90er Jahren leider geschlossen und ist nun ein Touristenhighlight.

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Bullerbü-Syndrom

Der Ofen glüht heiß als wir unser Ferienhaus betreten. Drinnen ist schön warm und gemütlich. Das haus ist super geschnitten, so dass auf den 100 Quadratmetern jeder seinen Rückzugsort zum Lesen, Dösen und Spielen hat, ohne dass wir uns aus dem Auge verlieren. Mein Lieblingsplatz ist der alte rote Sessel direkt an dem großen Giebelfenster von dem ich weit über den zugefrorenen See blicken kann. Mit dem Fernglas entdecken wir eine kleine Waldhütte auf der gegenüberliegenden Insel Lövön. Die Fischer stehen um ihre Fichte im Eisloch herum. Unsere Tochter spielt und ich erhasche so herrliche Sätze wie „Der beste Tag der Welt, soll am besten jeden Tag sein“. Das unterschreibe ich sofort. Astrid Lindgren hätte dieser Satz bestimmt auch gut gefallen. Das Bullerbü-Syndrom hat uns trotz des Schnees voll erwischt.

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Die Natur in Värmland/ Schweden hat etwas besonders ursprüngliches und natürliches.

Unterwegs in der Hafenstadt Göteborg

Unser einwöchiger Urlaub ist leider schon vorbei und wir sind auf dem Weg zum Fährhafen. Auf halbem Weg vom Värmelnsee nach Trelleborg machen wir für ein paar Stunden in Göteborg halt um uns die Beine zu vertreten. Die Autofahrt  nach Göteborg dauert 3,5 Stunden. Zu Beginn sind wir hauptsächlich Landstraße gefahren bevor wir auf die Autobahn einbiegen konnten. Landstraßen sind zwar schöner zum Gucken, es zieht sich aber auch. Die Kinder haben die Fahrt problemlos gemeistert. Die jüngere hat 2 Stunden geschlafen und die Große ihre Lieblingslieder mit Kofhörern gehört. Nun sind sie putzmunter.

Endlich ein Älg! Das süße Elch-Paar ist gerade beim Lunch als wir am Gehege im Göteburger Slottsskogen vorbei kommen. Ihr älterer Kumpel entspannt gerade nebenan in einem separaten Gehege. So ein ausgewachsener Elch, wie er gerade vor uns chillt, bringt an die 800 Kilogramm auf die Waage. Ziegen, Hühner, Pfauen, Robben und eine Gruppe Ponys gehören auch noch zur tierischen Nachbarschaft. Etwas weiter weg wohnen Humboldtpinguine. Der Barnens Zoo steht täglich offen und kostet keine einzige Krone. Es ist Samstagnachmittag und viele Familien sind in diesem schönen Park unterwegs. Auf den hohen felsigen Hügeln über den riesigen Rhododendronbüschen spielen Kinder während auf den unteren Wegen Radfahrer jeden Alters unterwegs sind. Stylisch gekleidete Eltern schieben in diesem im Jahr 1874 angelegten Park Kinderwagen umher. Auf dem Spielplatz Plitka klettern die Kinder in einen 15 Meter langen Pottwal und wir rutschen von einam Hang hinab ins Getümmel bis uns schwindlig ist. Während wir auf einer Parkbank einen Hotdog genießen, wird hinter uns Straßenhockey gespielt.

Bevor wir auf dem kostenpflichtigen Parkplatz den letzten freien Platz ergatterten, haben wir der Fischkirche eimen Besuch abgestattet. In der Markthalle mit dem markanten Dach werden alle möglichen Fische und Meerestiere angeboten. Gegenüber haben wir außerdem einen Blick in das hübsches Café namens Boulebar geworfen in dem Familien Boule spielen, während andere am Tisch Mittagessen. Uns bleibt leider nicht viel Zeit in dieser spannenden Stadt, weil wir um 21 Uhr unsere Fähre in Trelleborg bekommen müssen und bis dorthin ist es noch ein gutes Stück Weg.

Eine tolle Kollegin meines Mannes, die einige Zeit in Göteborg lebte, hatte uns ein paar super Tipps für Ausflüge mit Kids gegeben, die wir bei unserem nächsten Schwedenurlauben nachholen werden.

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Endlich ein Älg!

Die Highlights für einen Tag in Göteborg mit Kids

1. Die Paddan-Boote Rundfahrt ist sehr cool bei gutem Wetter

2. Etwas mehr low-budget aber eigentlich genauso schön ist es, die öffentliche Fähre von ‚Stenpiren‘ oder ‚Lilla Bommen‘ nach ‚Klippan‘ zu nehmen. Da ist das Museum / Restauran Röda Sten direkt am Wasser, was total nett ist.

2. Die Hafenbucht ‚Frihamnen‘ im nördlichen Teil der Stadt war/ist der größte ‚brachliegende‘ Stadtteil in ganz Europa. Dort hat die Stadt ganz spannende Planung für neue Projekte gemacht, für welche sie u.a. auch Kinder befragt haben. Ein sehr spannender Ort mit coolen Spielplätzen, der sich fortlaufend entwickelt. Hier gibt es eine öffentliche Sauna, die ganz aus recycelten Materialien ins Wasser gebaut wurde. Der Besuch ist umsonst, man muss Badesachen tragen und es ist auch nicht so heiß, deswegen sieht man oft Kinder dort. Eventuell muss man sich dort vorher anmelden.

3. Die Boulebar ist ein Cafe/Restaurant/Bar, wo man drinnen Boule spielen kann, ist auch schön mit Kindern den Nachmittag verbringen kann.

4. Alfons Aberg (Willy Wiberg auf Deutsch) und Universeum sind zwei Erlebnismuseen extra für Kinder. Auch das Seefahrtsmuseum ist schön für Kinder. Hinter dem Alfons Aberg erschließt sich der Trädgårdsföreningen, ein Park / Botanischer Garten mit wunderschönen alten, großen Gewächshäusern.

5. Wenn man etwas mehr Zeit hat, ist ein Ausflug ins Archipelago auf die wirklich traumhaften Inseln vor Göteborg zu empfehlen. Die Fähren fahren alle von Saltholmen ab. Schon alleine für die Fährfahrt durch die Schären lohnt sich das Erlebnis.

6. Das alte Arbeiterviertel Haga ist total nett für einen Spaziergang und eine Kanelbullar im Husaren Cafe.

7. Fantastischer Kaffee (& heiße Schoki für die Kleinen) und schwedisches Gebäck (Zimt / Kardamonschnecken) bei Da Matteo, an mehreren Orten in der Stadt.

8. Bei schönem Wetter ist der Slottsskogen Stadtpark schön, da gibt es einen Tierpark mit Elchen, Pinguinen usw. und ganz tolle Spielplätze.

9. Liseberg ist der Erlebnispark in Göteborg, ist eigentlich sehr nett, aber natürlich nicht ganz günstig. Aber für Kinder garantiert ein Highlight.

Allgemeines: Man zahlt fast alles mit Karte. Essen gehen lohnt sich besonders zur Mittagszeit. Da ist alles günstiger und es gibt immer Kaffee/Brot/Salatbuffet. Ein paar sehr schöne Restaurants sind Kafe Magasinet, Barabicu, Pustervik, Boulebar, Sjöbaren (da gibt es Seafood, soll sehr gut sein)

Der öffentliche Nahverkehr sind sehr angenehm, es fahren schöne retro Trams, und über Google Maps kann man sich die besten Verbindungen ausspielen lassen.

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Beim Sightseeing muss man auch mal verschnaufen

Daten und Fakten zu Värmland

  • Circa 320.000 Einwohner
  • Circa 19.000 Quadratkilometer groß
  • 14-17 Einwohner je Quadratkilometer
  • 10.000 bis 11.000 Seen, Vänern ist mit 5.648 Quadratkilometer der größte See Westeuropas
  • Klarälf, Schwedens längster Fluss
  • 70% Waldfläche
  • bis zu 700 Meter hohe Berge
  • 1.000 Kilometer Wanderwege
  • mögliche Aktivitäten: Ski fahren, Angeln, Radfahren, Schwimmen, Wandern, Elch- und Bibersafaris, Floß-, Kanu- und Kajakfahren
  • Karstadt ist Zentrum von Värmland

Anreise

Ab Rostock fahren Fähren nach Trellebog und Gedser. Wir haben eine Nachtfähre nach Trelleborg von Stenaline genommen. Diese legte gegen 22 Uhr in Rostock ab und kam morgens um 6 Uhr in Trelleborg an. Wir hatten eine 4er Außenkabine mit einem kleinen Bad. Im Sonnenaufgang sind wir vom Deck und hatten somit noch den ganzen Tag vor uns.
www.stenaline.de

Ferienhäuser

Unser Ferienhaus haben wir über die Buchungsplattform fewodirekt gebucht. Der Kontakt mit dem Vermieter war sehr angenehm. Vor Ort gucke ein befreundeter Nachbar des Besitzers nach uns und fragte, ob wir alles haben, was wir brauchen oder ob wir noch Fragen haben. Das fanden wir sehr freundlich.
Zwischen Januar und Mai und vor Weihnachten gibt es reichlich Auswahl was Ferienhäuser in Schweden und vemutlich in ganz Skandinavien betrifft, weil es in der Zeit noch nicht warm ist. In der Zeit von Mai bis September sowie um Weihnachten herum sind die schönen Häuser lange im voraus ausgebucht.

www.fewo-direkt.de

Informationen und Kontakt

http://www.schwedentipps.se/goeteborg/

www.schwedentipps.se/vaermland

www.schwedentipps.se/vaermland/arvika

Reiseführerempfehlungen für Schweden