Ich sehe die Schlagzeile in Lokalpresse bereits vor mir: „Einhorn auf der Ostsee gesichtet“. Zum dritten Geburtstag unserer Tochter habe ich mir ein Kindheitstraum erfüllt und ein aufblasbares Badetier in Form eines riesigen Einhorns bestellt. Offiziell ist das weiße schwimmende Gummitier mit dem Regenbogenmähne und dem -schweif natürlich ihr Geburtstagsgeschenk. Leider haben wir unsere super Handpumpe Zuhause vergessen. Aber mit dem guten alten Blasebalg und eigener Atemluft verwandelt sich die flache weiße Gummimatte auch ratzfatz in ein wunderschönes Pferd mit goldenem Horn.
Es ist mit 275 x 140 x 120 cm und einer Tragfähigkeit von bis zu 200 Kilogramm groß und kräftig genug, dass sowohl meine beiden Töchter als auch ich locker darauf Platz nehmen können und mit dem phthalatfreien Gefährt am Naturstrand der Wohlenberger Wiek entlang schippern. Der Wind ist ablandig und daher werden wir ständig weiter hinaus hinaus in die Bucht getrieben. Durch die Ebbe ist es jedoch so flach, dass unsere fast sieben jährige Tochter auch nach circa 100 Meter Entfernung zum Strand noch im Wasser stehen kann. Sie nimmt am liebsten die Aufgabe als Rosseführerin ein. Dadurch kann ich mich fast liegend herrlich sonnen während meine dreijährige Tochter zwischen meinen Beinen sitzt und sich an den beiden Haltegriffen am Hals des Einhorns festhält und ihre Schwester anfeuert. Mit diesem auffälligen Badespielzeug fallen wir natürlich schon von weitem auf. Es wollen auch mal andere Passagiere aufsteigen und dann räume ich meinen Platz für sie.
Während unsere große Tochter mit ihrer neuen Freundin, die hier ihre Oma in ihrer Dauercamperlaube besucht, für meinen Geschmack viel zu weit draußen im Wasser spielt, vergleicht sich unsere Dreijährige ihre Bikinifigur mit der einer anderen Dame, die neben uns am Strand liegt: „Papa, warum hat die Frau so einen dicken Bauch? Ich hab auch einen dicken Bauch“.
Contents
Der Campingplatz „Liebeslaube“
Über das verlängerte sonnigwarme Himmelfahrtswochenende haben wir uns vor ein paar Wochen auf dem Campingplatz „Liebeslaube“ einen Stellplatz reserviert. Nein, das ist wirklich kein Swinger Club, sondern ein ganz ruhiger Platz für bis zu 90 Touristen-Caravan und -Wohnmobile auf der grünen Wiese sowie für 350 Dauercamper, die direkt am Strand stehen dürfen. An Feiertagen sind die Stellplätze schnell ausgebucht. Eine Reservierung ist deshalb wirklich zu empfehlen.
Die Lage
Die Liebeslaube befindet sich in der Wohlenberger Wiek, dem Südwestteil der Wismarbucht an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns. Die nächst gelegene größere Stadt ist die Hansestadt Wismar. Das ist für Radtouren uns sonstige Ausflüge sehr praktisch. Von Nordwest-Berlin sind es circa 182 Kilometer bis zur Wohlenberger Wiek.
Der Strand
Für die Wahl des Campingplatzes war für uns ausschlaggebend, dass der Strand nur 150 Meter entfernt und damit kinderfußläufig ist. Wir haben wenig Lust das ganze Strandgedöns hunderte Meter zu schleppen.
Die sichelförmige Bucht zeigte sich während unseres Aufenthalts windgeschützt. Durch die Heckenrosen und Bäume am Rand zum Campingplatz gibt es auch etwas Schatten, wobei ein Schirm oder eine Strandmuschel dennoch empfehlenswert sind. Sobald nachmittags die Sonne frontal auf uns niederzubrennen drohte, waren wir für unsere gute Strandausstattung dankbar.
Dadurch das sich der Strand Naturstrand nennt, werden die am Strand trocknenden Algen nicht weg geräumt. Demzufolge entsteht an mancher Strandstelle, sagen wir mal, ein spezieller Geruch. Aber nun gut. Es ist halt Natur. Es gibt genug Plätze an denen es nicht nach alten Sushi duftet. Nichtsdestotrotz staksen wir im Storchengang über glipschige Steine, Algen in verschiedenen Verwesungsstadien und Schlick bis wir von unserer Strandbase klares Wasser erreichen. Danach überkommt mich beinahe ein Florida-Feeling (die Palmen und Flamingos muss man sich dazu denken, aber ich war noch nie in Florida ). Der Uferbereich ist, wie bereits erwähnt, bei Ebbe äusserst flach und dadurch für kleinere Kinder ideal zum Planschen. Für Surfanfänger oder Stand up Paddler ebenfalls. Für geübte Schwimmer dafür weniger.
Weiter östlich lockt ein Abschnitt mit Steilküste zu dem ich morgens laufe. Schwalben haben sich Dutzende von Nester darin gebaut und fleissige Künstler haben Steinmännchen Kunstwerke am Strand hinterlassen. Östlich gibt es ausserdem einen weiteren Campingplatz.
Die Ausstattung
Die liebevolle Bepflanzung fällt mir als erstes auf, als wir unseren Stellplatz beziehen. Es ist alles sehr gut gepflegt und sauber.
Das großzügig geschnittene Sanitärgebäude ist ganz neu und hat zwei Familienbäder (muss man vorher buchen) ein barrierefreies Bad, eine Hundedusche und ein super schönes Kinderbad mit eine Dusche in Form eines Leuchtturms. Männer- und Frauenbäder gibt es natürlich auch.
Wer keine Lust hat selbst zu kochen, kann in der Gaststätte „Ristorante Rimini“ mit Blick auf die Ostsee essen gehen oder sich ein Eis (1 Euro pro Kugel) für den Strand holen. Im kleinen Supermarkt mit Café gibt es mehr als das Nötigste sowie morgens ab 8 Uhr frische Brötchen und Tageszeitungen.
Neben einer Surfschule gibt es einen Fahrradverleih und Radwanderkarten, Tischtennisplatten auf der Zeltwiese, Beach-Volleyball am Strand, einen Kinderspielplatz direkt am Supermarkt beziehungsweise Sanitärgebäude. Für Hunde gibt es einen eigenen Strandbereich und sogar einen Spielplatz. Durch diese Hundeextras gibt es auf diesem Campingplatz etwas mehr Vierbeiner als normalerweise.
In der Hauptsaison wird eine Puppenbühne bespielt und ein Kinderprogramm geboten. Gegen eine Nutzungsgebühr von pauschal 5 Euro pro Tag beziehungsweise 10 Euro pro Woche steht WLAN zur Verfügung. Aber wir machen uns ohne den ganzen Chichi hier eine schöne Zeit.
Wer kein Zelt oder Wohnwagen hat, kann sich auf dem Campingplatz eine von insgesamt 17 Ferienwohnungen, ein Campingfass aus Holz (Tönnis) oder eine Strandlaube mieten. Ein Stellplatz für ein Wohnmobil kostet in der Hochsaison je Nacht 28 Euro inklusive zwei Erwachsene. Kinder sowie die Chipkarten zum Duschen (Kinder duschen kostenfrei) sowie Wäschewaschen und -trocknen kosten wie überall extra.
Radtour nach Wismar
Bereits nach wenigen Hundert Metern, im Ort Beckerwitz, gibt es den ersten kleinen Radunfall in der Familie. Er ist zum Glück harmlos und die Pflaster dürfen im Rucksack bleiben. Durch den unfreiwilligen Stopp, kommen wir in den Genuss, die schöne reetgedeckte Jugendherberge und das dazugehörige Dorf aus Baumhäusern zu begutachten. Die Baumhäuser bestehen aus übereinander liegenden Holzwaben und sehen sehr modern aus.
Der Rest der Radtour auf dem Ostseeküstenradweg nach Wismar verläuft zwar mit etwas Gemecker seitens unserer fast sieben jährigen Tochter, aber bei einer circa zwölf Kilometer langen Strecke ist das mehr als verständlich. Ab und an geht es auch bergauf, so dass entsprechend gestrampelt werden muss. Leider handelt es sich bei dem Radweg nicht um einen reinen Weg für Fahrräder, sondern es fahren dort auch Autos. Für unsere am liebsten in der Straßenmitte fahrende Tochter ist das ein gutes Training.
Der schöne Ausblick über die Weizen- und Rapsfelder entschädigt zumindest uns Eltern für die ständigen Rufe „rechts fahren, es kommt ein Auto!“ und Herzrasen bei jedem nahenden Automobil. Die fast Dreijährige singt sich derweil eins auf dem Fahrradsitz.
Wunderschöne Altstadt in der Hansestadt Wismar
In Wismar bekommen unsere Mädels erstmal eine prall gefüllte Tüte Naschereien aus dem so genannten Bärenland-Geschäft. Dermaßen belohnt können wir einen Spaziergang durch die Altstadt mit der allgegenwärtigen Backsteingotik unternehmen. Am genau 100 x 100 Meter messenden Marktplatz sind alle Cafés gut besucht. Zahlreiche Touristen entspannen unter den Sonnenschirmen.
Ein gendermäßig betrachtet absolut moderner kleiner Brunnen mit einer Meerjungmannn und einer -frau (leider kein Trinkwasser) am Wasserkunstwerk von 1602 ziert diesen großen Platz. Früher diente das Wahrzeichen der Stadt der Trinkwasserversorgung und erzählt noch heute in deutscher und lateinischer Schrift davon.
Wir bummeln durch kleine hübsche Gassen zum Wahrzeichen der Stadt. Dieses besteht aus einem 80 Meter hohen Turm der Marienkirche. Davor kann man eine moderne Skulptur in Form von einem Tauziehwettbewerb betrachten. Hier zieht eine Gruppe an einem Tauende während auf der gegenüberliegenden Seite nur eine Person zieht. Wer wird wohl am Ende gewinnen? Kann man es alleine gegen mehrere schaffen? Hier lässt es sich mit Kindern wunderbar philosophieren.
Andeutungen in Form von Sitzbank hohen Außenmauern zeigen wie groß die Kirche vor ihrer Sprengung 1960 einmal gewesen sein muss. Solch eine tolle Idee hatten dieselben oder andere Leute zehn Jahre früher bereits in Berlin mit dem Schloss auch in die Tat umgesetzt. Aber bald bekommen wir Berliner ja ein neues Schloss in Mitte.
Direkt an der Marienkirche steht das ehemalige Verwaltungshaus der Kirche, das Archidiakonat. Durch den mit Windlöchern verzierten Staffelgiebel des Backsteingotikhauses scheint die Sonne von Süd nach Nord hindurch.
Insgesamt gibt es in in der circa 42.000 Einwohner zählenden Hansestadt so viele herrschaftliche sanierte Bürgerhäuser, die Zeugnis der einst so mächtigen Hansebundes mit Hamburg, Lübeck, Rostock und Stralsund ablegen, dass die Altstadt verdientermaßen seit 2002 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Besonders hübsch finde ich das alte rote Fährhaus, weil es so schön schief über einem Hafenkanal schwankt.
Der alte Hafen
Bei den sommerlichen Temperaturen zieht es uns zum Alten Hafen von Wismar. Hier starten übrigens mehrmals täglich Hafen- und Seerundfahrten in die Wismarbucht Richtung Poel. Wir verputzen an einem der Kutter ein Fischbrötchen bevor wir am historischen Wassertor vorbei weiter zum Hafen laufen.
Wir bleiben an Land und gönnen den Kindern ein paar Runden auf dem Hafenrummel während wir einen riesigen Katamaran aus blankem Stahl beim Anlegen beobachten. Das bunte Halligalli-Geblinke des Rummels bildet einen ordentlichen Kontrast zu den alten Speichergebäuden aus Backstein, die gerade nach und nach saniert und ausgebaut werden.
Den sicherlich sehr schönen 17 Hektar großen Tierpark südwestlich von der Wismarer Altstadt heben wir uns für ein anderen Besuch auf. Die Stadt gefällt und so gut, dass wir auf jeden Fall wieder kommen. Vielleicht ziehen wir dann in eines der luftigen Bienenwabenbaumhäuser…
Einmal Milch volltanken, bitte!
Statt an einer Tankstelle für Pkw kommen wir auf der Rückfahrt bei der täglich geöffneten Milchtankstelle Zierow vorbei. An einem Automaten zapfen wir eine Flasche mit frischer Rohmilch direkt vom Melkstand für einen Euro plus 50 Cent Flaschenpfand. Hoffentlich wird die nicht sauer bis wir sie in den Kühlschrank unseres Wohnmobils legen können!
Slawischer Burgwall
Damit die Rückfahrt nach Berlin etwas unterhaltsamer verläuft, halten wir in Groß Raden um das Archäologische Freilichtmuseum zu besuchen. Gegenüber vom Oldtimer Museum ist der offizielle kostenpflichtige Parkplatz (2 Euro) des Orts. Wir spazieren beziehungsweise laufradeln die 1,3 Kilometer durch das niedliche Dorf, an einer Pferdekoppel vorbei, zwischen Ausstellungshaus, Spielplatz und Badesee hindurch und ein Stück durch einen Wald mit riesenhaften Buchen bis zum Freilichtmuseum. Für 7 Euro bekommen wir eine Familieneintrittskarte.
Ähnlich wie in Raddatz (im Spreewald) haben hier die Slawen vor etwas mehr als 1.000 Jahren eine Burgwall gebaut. Hier allerdings auf einer Insel am Rande eines Sees. Unsere Tochter ist leider nicht zu bewegen an einer der urigen Werkstätten einen Holzkrug zu bauen. Wer Lust darauf hat, kann sich auch mit Pfeil und Bogen sowie Kräutern mit solch gesund klingenden Namen wie Pestwurz ausstatten.
Wir haben es eher auf den harmloseren Honigstand in einem der Lehmhäuser abgesehen und decken uns mit allerlei Honiggedöns ein. Süße Honigbonbons hier, eine handgemachte Honigseife und -handcreme da.
Einige eingerichtete Lehmhütten sind außerdem zu besichtigen. Dabei muss unsere dreijährige Tochter gut auf ihr Holzlaufrad aufpassen. Ein einjähriger halbnackter Stepke verfolgt sie flinken Fußes. Beeindruckend wie gut er schon laufen kann, findet seine stolze Mutter: „Er ist erst ein Jahr und 27 Tage alt und ist ja so interessiert an allem!“. Noch beeindruckender ist es für mich zu sehen, wie schnell unser Kind vor ihm davon radelt.
Wir überqueren den Holzsteg hinüber zum Burgwall. Von hier aus mussten die Slawen einen guten Überblick gehabt und heran nahende Feinde rasch entdeckt haben. Wir werden genau hier auf dem Burgwall auch gewarnt. Eine Sirene ertönt und warnt uns vor einem Wärmegewitter. Oder ist das vielleicht nur ein Testalarm, wie er auf dem Lande durchgeführt wird? Schwül genug für ein Gewitter ist es allemal. Deshalb machen wir uns nun auf den Weg zurück zum Wohnmobil. Natürlich nicht ohne vorher noch ein Wassereis zu holen, das bis zum Parkplatz aufgegessen ist.
Im Zickzack durch Brandenburg zurück nach Berlin
Auf dem Rückweg nach Berlin geraten wir auf Autobahn in einen Stau. Es ist so heiss, dass sich ein Teil der Seitenverkleidung löst. Unsere Liste an Reparaturarbeiten (Küchenwasserhahn, Küchenlampe, Ventilator, Dachsolarzelle) erweitert sich damit um einen weiteren Punkt. Juhu!
Mein Mann baut das lose Teil am nächsten Parkplatz ab und wir wechseln auf die Landstrasse. In Wittstock geraten wir wegen einer Ampel in den nächsten sechs Kilometer langen Stau. Wenigstens weht hier noch ein Wind frische Luft aus dem Wald herein anstatt die Abgase des vorderen Autos.
Wir gondeln nun von Dörfchen zu Dörfchen. Im Dorf Nackeln sagen sich wohl nicht Fuchs und Hase, sondern die Dackel gute Nacht. So langsam setzt uns die Hitze zu, ich merke das. Eine Klimaanlage haben wir nicht im Wohnmobil.
Es geht unter Baumalleen an Weizenfeldern vorbei. Störche auf den Wiesen.
Viele schöne alte halb verfallende Häuser regen unsere Fantasie an. Was könnte man aus diesem Gutshaus oder jener alten Mühle tolles machen! Von uns aus könnten wir immer Landstraße fahren. Wir sind on the Road und die Welt ist groß. Wir haben einen Plan und fahren los. Es ist alles nur eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit und der Nerven der Kinder, versteht sich.
Adressen und Informationen
Ostsee-Campingplatz „Liebeslaube“
An der Wohlenberger Wiek 1
23968 Hohenkirchen
www.campingplatz-liebeslaube.de
Ostseeküstenradweg: www.adfc-tourenportal.de/viewtrackobject.php?trackObjectID=9230
www.wismar.de/Tourismus-Welterbe/Wismar-erleben
Hansestadt Wismar
http://www.wismar.de/Tourismus-Welterbe
Zierower Milchtankstelle
Betriebsgemeinschaft Zierow
Am Grundbarg 1
23968 Zierow
Deutschland
http://www.milchtankstellen.com
Archäologisches Freilichtmuseum Groß Raden
Kastanienallee 49
19406 Groß Raden
http://www.freilichtmuseum-gross-raden.de
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