Ein Gespräch mit der Kinderyoga-Lehrerin Mandy

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Mandy Weber, Lehrerin für Kundalini Yoga, Kinder-, Familien- & Mama-Baby-Yoga nach den 5 Elementen in und um Berlin, Foto (c): Phine Photo

Namasté, liebe Mandy. Es freut mich, dass Du Dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast. Wir beide haben uns im Arbeitsleben kennen gelernt. Nun haben sich unsere beruflichen Wege getrennt, weil Du Dich voll und ganz dem Unterrichten von Kundalini Yoga, Kinder-, Familien- & Mama-Baby-Yoga nach den 5 Elementen in und um Berlin widmest und ich beglückwünsche Dich zu diesem wichtigen Schritt. Ich selbst habe auch einige Jahre Unterricht in Yoga gehabt und erinnere mich sehr gerne daran. Nachdem wir beide über Deine Yoga-Pläne sprachen, kamen mir einige Fragen zu dem Thema Kinderyoga. Da ich Deine Antworten als sehr aufschlussreich empfand, möchte ich diese gerne der Allgemeinheit im Netz zur Verfügung stellen.

Also liebe Mandy, warum sollten Kinder Yoga machen, wenn sie doch sowieso fest im Hier und Jetzt verankert sind? Anders gefragt: Was bringt Yoga Kindern überhaupt, wo sie doch sowieso beim Spielen im Fersensitz sitzen, über den Boden robben und durch den Wald rennen?

Es ist immer wieder faszinierend, wie sich besonders ganz kleine Kinder mit Bewegungen und Geräuschen selbst regulieren … bis es ihnen (oft unbewusst) „abtrainiert“ wird. Genau darum ging es neulich in einer Gruppe von Mädchen zwischen 7 und 9. Sie erzählten, in welchen Positionen sie am liebsten sitzen, stehen, hocken würden und konnten sehr genau ihre Beschwerden durch das relativ unflexible Sitzen in der Schule und teilweise auch zuhause benennen. Wir testeten dann, welche Bewegungen ihnen gut tun und überlegten, wo sie Möglichkeiten sehen, einen Ausgleich für sich zu finden. Da war dann natürlich ein Thema der Stunde: Wie sehr kann ich mich und meine Bedürfnisse da sein lassen?

Aber auch ganz kleine Kinder können schon von Yoga profitieren. Ich unterrichte Kinderyoga auf Grundlage der fünf Elemente. Die Kinder zeigen da sehr deutlich, wo sie gerade stehen und was sie brauchen.

Wie kann ich mir das vorstellen?

Wenn sich zum Beispiel ein Kind (und meist sind es dann auch mehrere) immer wieder in seine Matte einrollt, würde ich das erst einmal aufgreifen, indem wir z. B. als Tier in einer Höhle Winterschlaf machen – schön eingekuschelt und geschützt – oder ein Samen in der Erde sind, der dann im Laufe der Stunde wachsen darf. Das Thema Erde wäre auf jeden Fall „als Anfrage“ seitens der Kinder im Raum und meine Aufgabe ist es, das wahrzunehmen und spielerisch Angebote zu unterbreiten, die sie unterstützen; die Kinder da abholen, wo sie gerade sind.

Wir tragen alle Elemente in uns. Oft diskriminieren wir aber schon im frühesten Kindesalter eines oder mehrere. Das kann z. B. das Thema Wut sein, das zum Element Feuer gehört. Wachsen wir in einem Umfeld auf, in dem unser Feuer keinen Ausdruck finden darf, leben wir diesen Anteil nicht oder auf keine für uns dienliche Art und Weise. Um bei der Wut zu bleiben: Sie kann ein super Motor sein, aber auch sehr zerstörerisch wirken.

Es geht dann nicht darum, die Wut mit Yoga „wegzubekommen“, sondern zunächst mal einen Ausdruck dafür zu finden; sie – und damit den ganzen Menschen – da sein zu lassen. Dann brüllen wir wie ein Löwe und dürfen einfach mal laut sein. Der Weg ist zu erkennen, was uns so wütend macht und sie nicht in unserem System, gegen uns selbst wüten zu lassen, was auf lange Sicht krank machen oder einen sehr destruktiven Ausdruck finden kann. Wut kann ein Motor für Veränderung in der Welt sein, wenn wir lernen, sie als solche gezielt FÜR etwas zu nutzen und nicht gegen uns oder andere.

Welcher Unterschied besteht zwischen Yoga für Kinder und Yoga für Erwachsene?

Kinderyoga ist sehr viel freier und ich bin da beim Unterrichten viel mehr mittendrin. Es ist, als würde sich die Stunde von selbst „schreiben“ – genau in dem Moment, wo sie stattfindet. Natürlich gehe ich mit Ideen, Materialien etc. in eine Yogastunde, doch letztendlich kommt der Impuls oder das Thema mit den Kindern in den Raum und ich bin jederzeit bereit meine Idee „über den Haufen“ zu werfen. Es geht darum, das Handwerkszeug/ein Repertoire zu haben, um im richtigen Moment ein Angebot, einen Impuls zu geben oder eben auch mal nicht. Doch immer geht es darum, die Impulse der Kinder aufzugreifen, die Themen, die dahinter liegen zu erkennen und zu integrieren. Den Raum dafür zu halten, das ist meine wundervolle Aufgabe.

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Raum zum Verbinden von Körper, Geist und Seele. Aufgenommen im Yoga Japa.

Kommen die Kinder aus eigenem Antrieb zu Dir oder stecken da vielmehr die Eltern dahinter? Aus welchen Gründen melden Eltern ihre Kinder bei Dir an?

Ich unterrichte an sehr unterschiedlichen Orten. In Eltern-Kind-Zentren sind oft Kinder, die genau an dem Tag Lust haben, beim Yoga mitzumachen und auf einmal auf der Matte sitzen. Sie machen dann eine Erfahrung und wissen ganz genau, ob sie wiederkommen wollen oder nicht.

Bei ganz kleinen Kindern kommt der erste Impuls natürlich oft von den Eltern, aber heutzutage ist das mit Yoga wie mit Fußball. Sie sehen einen Elternteil beim Yoga oder machen z. B. im Kindergarten eine Erfahrung und wollen das dann auch. Natürlich kommen auch Eltern mit dem Bestreben, dass ihr Kind durch Yoga ruhiger wird oder aber auch mutiger, selbstbewusster – je nachdem. Da bin ich ganz entspannt, denn Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Ich schaue dann, welches Anliegen das Kind mitbringt. Nach einer Probestunde fragte mich mal eine Mama, ob ihr Kind denn für Yoga „geeignet“ sei oder vielleicht doch zu hibbelig? Genau dieses Mädchen bereichert inzwischen jede Woche meinen Unterricht mit ihren fröhlich-sprudelnden Ideen und einer unbändigen Freude an deren Umsetzung. Sie selbst sagte irgendwann: „Yoga tut mir richtig gut. Ich fühle mich irgendwie ruhiger.“ Das war und ist dann tatsächlich ihr eigenes Anliegen: immer wieder einen (Ruhe-)Punkt in sich zu finden, von dem aus sie so wunderbar in die Welt sprudeln kann.

Wie motivierst Du Kinder zum Mitmachen, wenn sie keine Lust haben?

Zunächst lasse ich genau das – die Unlust – da sein, mache sie aber nicht zum Thema. Ich unterrichte, aber lasse (im übertragenen Sinne) die Tür die ganze Zeit offen. Das heißt, das Kind kann jederzeit zur Gruppe kommen und wieder einsteigen. Hat es einen Impuls – das könnte zum Beispiel ein genüssliches Räkeln am Rand sein – greife ich genau das auf und baue es in den Unterricht mit ein. Das sind Einladungen an das Kind. Es geht um das positive Bestärken. Gleichzeitig versuche ich  zu erspüren, welches Thema dahinter steht und das kann sehr vielfältig sein.

Wenn zum Beispiel ein Kind, das immer „im rechten Winkel zur Matte“ sitzt und bestrebt ist, alles richtig zu machen, zum ersten Mal zeigt, dass es gar keine Lust hat, ist das eher ein Grund zur Freude, weil es den Mut hatte, sein Bedürfnis zu zeigen. An der Stelle wäre eine Motivation zurück zum (scheinbaren) Funktionieren nicht angebracht. Bleibt ein Kind, das eher zum Abdriften neigt, mal für drei Übungen dabei, würde ich den Anteil loben.

Im Grunde erspüre ich, was sich gerade entwickeln will und dementsprechend gehe ich damit um.

Die Kundalini- und Kinderyoga-Lehrerin Mandy lässt auch Unlust beim Kinderyoga zu und hält die Tür für die kleinen Yogis immer offen zum Wiedereinsteigen. Aufgenommen im Yoga Japa.

Gibt es Yoga-Praktiken, die sich für Kinder besonders eignen oder die ihnen besonders viel Spaß machen?

Das ist sehr individuell und auch altersbezogen. Ganz kleine Kinder lieben oft Geschichten, Spiele und Lieder. Die Asanas sind dann Teil der Geschichte und es dürfen auch laute Geräusche gemacht werden. Da wird gebellt, gekräht, gejault … Größere Kinder mögen auch schon mal die Herausforderung bei den Übungen, aber das ist alles nicht zu pauschalisieren. Auch Teens spielen, jaulen gerne mal im Rudel und genießen den Moment des Kindseins – einen Anteil, den sie im Alltag vielleicht eher nicht (mehr) leben.

Was mir persönlich auffällt, ist die Begeisterung der Kinder für Klänge. Sie lieben Übungen und Entspannungseinheiten mit Klangschalen und singen gern Mantren in Verbindung mit Bewegungen (Celestial Communications).

Welche Übungen fallen den meisten Kindern eher leichter und welche eher schwer?

Es gibt natürlich schon manchmal Tendenzen, die sich in bestimmten Altersgruppen beobachten lassen, aber wann immer ich mir ein Bild davon gemacht habe, kam mindestens ein Kind und bewies mir genau das Gegenteil. Das ist ja das Spannende am Yoga: Eine Übung kann nicht nur für unterschiedliche Menschen unterschiedlich schwierig sein, sondern für denselben Menschen in unterschiedlichen Momenten und das korrespondiert dann wieder mit den Elementen. Die Ausführung der Asana zeigt uns, wo genau wir gerade stehen. Wenn ich innerlich nicht ausbalanciert bin, wird es auch „mein Baum“ nicht sein. Mein Ist-Zustand spiegelt sich darin wider und ich habe gleichzeitig die Möglichkeit, mit der Übung darauf einzuwirken. Das heißt beispielsweise, durch das Praktizieren des Baumes wird nicht nur der windschiefe Baum ruhiger, sondern mein System macht die Erfahrung, dass ich mich jederzeit ausbalancieren kann. Diese Erfahrung nehme ich dann von der Matte mit ins alltägliche Leben und kann sie dort abrufen. Das ist für mich Yoga.

Können Eltern in Deinen Stunden zuschauen?

Nein, sie dürfen aber sehr gern mitmachen. Das hat zum einen den Vorteil, dass sie selbst direkt die Erfahrung machen und zum anderen ist mir das ein Anliegen im Sinne der Kinder. Niemand soll sich beim Yoga beobachtet und bewertet fühlen, ob von den eigenen oder den Eltern anderer Kinder. Wenn die Eltern Teil der Erfahrung sind, ist das etwas ganz anderes. Kinder und Eltern sind dann in diesem Moment auf Augenhöhe. Das macht beiden Seiten sehr viel Spaß und verhindert Spannungen. So sind auch meine ersten Familienyoga-Angebote entstanden. Die Eltern entdeckten, wie viel Freude die gemeinsame Yoga-Zeit bringt und kamen immer wieder. Im Familienzentrum kommen Mamas sogar manchmal ohne Kinder, wenn diese bei Geburtstagen sind, um ihre Yogastunde nicht zu verpassen.

Eine Ausnahme sind schwangere Mütter oder wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht mitmachen kann. Dann bekommen sie – nach Möglichkeit – einen bequemen Platz am Boden auf Höhe der Gruppe.

Nun zu Dir persönlich: Wie bist Du zum Yoga für Kinder gekommen? Was gibt Dir die Arbeit mit Kindern zurück?

Das Kinderyoga ist zu mir gekommen – ich hatte das nie vor. Es hat auch lange gedauert, bis ich überhaupt einen Zugang zum Yoga hatte. Immer, wenn ich mal wieder eine Freundin zu einer Stunde begleitete, stellte ich fest, dass Yoga bestimmt ganz toll, aber nichts für mich sei. In meiner ersten Schwangerschaft konnte ich mich dann das erste Mal darauf einlassen, blieb aber nicht dabei. Viele Jahre später fand ich jedoch genau durch diese Erfahrung – diesen Anker –  zum Yoga zurück und habe es in mein Leben integriert. Als einer meiner Söhne Yoga ausprobieren wollte, stieß ich auf meine Lehrerin Sohan und die Kinderyoga-Lehrer-Ausbildung im Yoga Delta Berlin. Obwohl es eine Art Seelenruf war, ging noch eine ganze Zeit ins Land, bis ich diesem dann tatsächlich folgte, denn mein Verstand brabbelte immer wieder vor sich hin: Brauchst Du doch gar nicht … Wofür eigentlich? … Geht doch gar nicht … Ist nicht Dein Ding …

Doch: Es ist genau „mein Ding“ und für mich gibt es nichts Schöneres, als kleinen wie großen Menschen in meinem und ihrem Sein und Tun zu begegnen.

Ich danke von Herzen meiner Lehrerin Sohan Anne Böing für die Begleitung meines Wegs zur Kinderyoga- und Kundalini Yoga-Lehrerin – und weit darüber hinaus – , mit großer Liebe allen Menschen, die in diesem Leben mit mir gehen, und ganz besonders auch Dir, liebe Eva, für das Interesse und Dein Dranbleiben. Alles Liebe von mir für Dich! Sat Nam.

Liebe Mandy, ich danke Dir persönlich und auch im Namen meiner Blogleserschaft für Deine aufrichtigen und eingehenden Antworten! Ich habe richtig Luft bekommen, selbst meine Yoga-Matte auszurollen und loszulegen! Wer sich über Kinderyoga und weiteren Yoga-Unterricht von Mandy informieren möchte, findet auf der folegende Website und Facebook Seite mehr Informationen:

https://spiritandthecity.me

https://www.facebook.com/profile.php?id=100015221432564

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„Wenn die Kinder klein sind, hilf ihnen Wurzeln zu fassen, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel.“ Ein Buchtitel von Ursula Neumann, der auch prima zum Kinderyoga als Motto passt. Visitenkarte-Grafik links: fotolia


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