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Besteigung einer mallorquinischen Pyramide, Puig de l’Ofre, mit Kind und Kegel

Stausee Cúber auf Mallorca
Wanderung am Stausee Cúber auf Mallorca, Dezember 2016

Von glitzernden Eiskristallen bedeckte Bodengewächse funkeln am Wegesrand im Sonnenlicht. Glöckchengeläut verrät die wolligweichen Schafe ganz in der Nähe von uns im Gebüsch. Zwei Kühe trinken gemächlich aus dem Stausee. Ruhig und glänzend liegt er uns zu Füßen. Der größte Trinkwasser Speichersee Mallorcas. Cúber heißt er. Sein Dasein hat er den umliegenden Bergen des ingsgesamt 90 Kilometer langen Tramuntana Gebirges zu verdanken. Von ihnen herab strömt in regenreichen Zeiten das kostbare Nass herab und sammelt sich im Cúber oder im benachbarten Stausee Gorg Blau.

Die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel 2016 auf 2017 verbrachten wir zum ersten Mal im Nordwesten Mallorcas. Sind dem Regen und dem grauen Himmel Berlins entflogen und haben glücklicherweise das Unwetter verpasst, das kürzlich auf Mallorca wütete. Eine befreundete Familie mit zwei Kindern (6 und 9 Jahre) hatten wir mit im Gepäck. Jede Familie hatte ihre eigene Finca auf einem großzügigen Olivar. So konnten wir uns gegenseitig immer besuchen, wenn uns danach war.

Im Dezember befindet sich die Insel in einem touristischen Winterschlaf. Demnach sind auch kaum Wanderer unterwegs. Alles ist sehr entspannt. Dafür haben aber auch einige Restaurants zu. „Comida? No!“ wird zum Running Gag unseres Urlaubs. Egal wo wir hinkamen, die Restaurants hatten zu bzw. machten erst am Abend auf.

Stausee Cúber auf Mallorca
Wanderroute zum Puig de l’Ofre

Ende Dezember 2016 liegt kein Schnee auf dem 1.455 Meter hohen Puig Major. Nackt und klar, so türmt sich der große Berg gebieterisch vor uns auf. Nur eine Radarstation des Militärs schmückt seine Glatze. Hätte man uns aus dem Flugzeug geworfen und ich wüsste nicht, wo wir uns befinden, ich würde jetzt auf die Schweiz tippen.

Das Thermometer zeigt an diesem Dezembertag um 10.45 Uhr nur neun Grad Celsius als wir auf der Buckelpiste nahe des Stausees, also known as Parkplatz, die Handbremse anziehen um nicht vorwärts auf die Straße der Ma-10 zu rollen. Wir schreiten uns zum schlummernden Cúber. Aufgrund des vorigen Unwetters ist der Speichersee gut gefüllt. In der Sonne ist es auch im Dezember angenehm warm. Die Kinder reißen sich ihre Softshelljacken vom Leib. Wir weniger heißblütigen Erwachsenen bleiben lieber weiterhin zwiebelschichtig bedeckt. Sonnenbrillen sitzen auf unseren winterbleichen Nasen. Jetzt ist solch ein feierlicher Moment, in dem sich jede Pore von uns glücklich schätzt, hier auf dieser Mittelmeerinsel sein zu dürfen.

Refugi am Wasserspeicher Cúber, sind wir in Alpen, in Skandinavien oder wirklich auf Mallorca?

Am Metallgatter rechts vorbei galoppieren unsere beiden Mädels (2 und 6 Jahre) mit den anderen beiden Kids auf dem Wanderroute GR 221 in nördliche Richtung rechts direkt am blankpolierten Cúber vorbei. Eisstückchen aus kleinen Pfützen werden aufgesammelt. Schräg links vor uns wird ein kleines Refugio, eine Schutzhütte, sichtbar. Dahinter baut sich die Pyramide auf, zu der wir heute hinauf möchten. Der Puig de L’Ofre. 1.093 Meter hoch. Aber nur 350 Höhenmeter davon müssen wir aus eigener Kraft erklimmen. Den Rest hat zuvor das fleissige Auto erledigt.

Am Ende des Staudammwegs durchqueren wir ein Gatter. Danach erwartet uns das Bachtal des Torrent de Binimorat. Wir laufen an einem Stall vorbei auf dem ein Zecken-Warnschild neugierige Wanderer fernhält. Danach kommen wir an der Finca Binimorat vorbei. Das Überqueren des Bächleins mit Hilfe der aus dem flachen Wasser herausschauenden Steine wird zum Happening. Wir Eltern drücken die Daumen, dass die Kinderschuhe trocken bitte bitte bleiben mögen. Unsere Gebete werden erhört.

Stausee Cúber auf Mallorca
Bachtal des Torrent de Binimorat

Dem Wanderweg zum Puig folgend ziehen grasende Wildpferde und Esel bald die volle Aufmerksamkeit unserer Kinder auf sich. Eine Diskussion entbrennt, wer welches Pferd warum am schönsten findet und weshalb sie die Vierbeiner nicht reiten können. Unsere zweijährige Tochter darf reiten. Allerdings auf den Schultern ihres Zweibeiner-Papas. In die mitgenommene Kraxe mag Prinzessin nicht. Der Ausblick von Papas Schultern muss wohl beeindruckender sein.

Überquerung des Torrent de Binimorat
Überquerung des Torrent de Binimorat

Ablenkung von beginnenden Nackenschmerzem naht durch eine erneute kurze Bächleinüberquerung. Mein Mann zückt ein Plastikrohr, ein so genanntes Lifestraw, das Fluss- in Trinkwasser umwandeln kann. Er ist damit der Held der Kinder. Natürlich möchte jedes Kind sich diesen Spaß nicht entgehen lassen und saugt emsig das Wasser an um sich damit Erfrischung zu verschaffen. Es geht weiter durch einen Kiefernwald und dann den Fahrweg weiter geradeaus. An einer Gabelung biegen wir links in einen Wirtschaftsweg ab.

Coll de l'Ofre
Coll de l’Ofre

Am Wegekreuz Col de l’Ofre machen um 12.45 Uhr wir das Mittagspicknick und posen mit Kameraselbstauslöser herum. Oben, auf dem Puig de l’Ofre entdecken wir ein paar winzig kleine Wanderer. Ich kann es mir kaum vorstellen, bald auch dort oben mit Kind und Kegel zu stehen und auf die nachfolgenden Wanderer zu blicken.

Gleich um die Ecke wartet das nächste Highlight auf uns. Zwischen Felsen breitet sich eine Wiese aus, die den Blick auf das Orangental von Sóller freigibt. Auch wir Erwachsenen haben uns den Softshelljacken entledigt. Wenn mir jetzt jemand anbieten würde per Paraglider hinab zu gleiten, ich würde darüber nachdenken.

Danach schlängeln wir uns den Weg zum Puig de l’Ofre hinauf. Die Kleinste der Runde läuft zur Abwechslung ein Stück mit und findet einen Wanderstock der gleichzeitig als Besen zum Fliegen taugt. Den hätte ich jetzt wirklich gern dabei. Aber nix da fliegen. Die Kleine wird in die Kraxe verfrachtet. Jetzt wird es ernst. Es geht linkerhand auf einem steilen Steig den Puig de l’Ofre hinauf. Der Schweiss rinnt mir über Brust und Rücken. Der Rucksack mit unserem Proviant wird schwerer und schwerer. Die größeren Kinder klettern frohgemut voran als wenn sie nie etwas anderes getan hätten. Ach, wie schön.

Kuppe des Puig de l'Ofre
Kuppe des Puig de l’Ofre

Der Himmel ist immer noch vollkommen wolkenfrei als wir die Kuppe des Puig de l’Ofre erreichen. Raubvögel kreisen auf Beute lauernd weiter unten durch die Lüfte. Wir sehen den bedenklich weit entfernten Cúber und auf der gegenüberliegenden Seite die Küste. Ein Flugzeug saust scheinbar parallel zu uns über die Insel. Fantastico! Am liebsten würde ich hier noch stundenlang in der Sonnen herumlümmeln. Aber nach dem Aufstieg kommt bekanntermaßen immer der Abstieg und der Rückweg schein weit zu sein, wenn ich meinen Augen trauen darf. Also noch rasch eine Gipfelwindel gewechselt und ab geht er.

Allein der Ausblick über Mallorca vom l’Ofre ist schon Belohnung genug für diese Wanderung

Wir gehen ein Stückchen den selben Weg hinab, den wir auch hinauf gestigen sind. Dann biegen wir an einem markierten Felsen links ab und gehen einen Bergkamm weiter abwärts. Dann verfransen wir uns. Statt den Sattel zu überqueren und durch eine Maueröffnung zu gehen, gehen wir weiter geradeaus. Als wir unseren Fehler bemerken sind wir bereits zu weit. Wir schlagen uns durch das struppige Gewächs hinab ins Tal. Die Kinder maulen. Der Weg ist steil und der geröllige Berg bietet kaum Halt für die bereits müden Wanderfüße. Wir schrecken einige verblüffte Bergschäffchen auf. An den Waden zerstochen treffen wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich auf dem Schotterweg, den wir zurück zum Stausee folgen. Die Wildpferde haben mittlerweile die Talseite gewechselt und sind immer noch am Futtern.

Stausee Cúber mit der Berghütte Cúber
Stausee Cúber mit der Berghütte Cúber

Um circa 15.30 Uhr treffen wir auf die nördliche Spitze des Stausees Cúber und legen dort eine letzte Rast ein. Die Tür und die Fenster der Berghütte de Cúber sind jedoch fest verrammelt. Aber das Tor zum kleinen Grundstück der Hütte ist zu öffnen. Ein spanisches Päarchen hat dort bereits Holzkohle auf den vorhandenen Steingrill gelegt und bereitet sich ein Abendessen zu. Tolle Idee! Daran hätten wir auch denken sollen. Ein Schaf rennt herum und bettelt um zu verspeisende Gaben. Das Fell ist mollig weich als wir mit unseren Fingern vorsichtig darüber gleiten lassen.

Wir laufen auf der östlichen Seite des Speichersees zurück in Richtung südliches Stausee-Ende und genießen die letzten warmen spätnachmittäglichen Sonnenstrahlen. Einige spanische Wanderer – mit Kindern – kommen uns mit sportlicher Geschwindigkeit entgegen. Wir überlegen, ob sie auf den Puig hinauf möchten oder nur den Cúber umrunden möchten. Für die Kinder hoffen wir letzteres. An der Straße empfängt uns ein feierliches Esel-Empfangskommitee. Wir haben es geschafft. Um 16.15 Uhr erreichen wir mit Kind und Kegel den Autoparkplatz.

Wandern auf Mallorca

Adressen und weitere Informationen

Parkplatz: am Stausee Cúber (750 Meter), Straße MA-10 am Kilometer 34, oder mit dem Bus L354 ab Port de Sóller

Höhenunterschied: jeweils 350 Meter im An- und Abstieg

Verpflegung: keine Einkehrmöglichkeit, also ausreichend Wasser und Proviant wie zum Beispiel belegte Brote, Obst, Nüsse mitnehmen. Wenn man Lust auf Grillen und genügend Zeit hat, Grillgut einpacken und im Garten der Berghütte de Cúber Abend- oder Mittagessen zubereiten.

Anforderungen: der Rundweg ist anspruchslos, aber der Anstieg ist zwar kurz aber anstregend

Strecke: 11,5 Kilometer

Dauer: offiziell 3,5 Stunden, wir haben uns aber Zeit gelassen und etwas mehr als 5 Stunden gebraucht (mit Kleinkind auf den Schultern oder in der Kraxe dauert alles länger)

Refugio de Cúber

Die Berghütte “Cúber“ wird laut unseren Informationen vom IBANAT (Govern Balear) verwaltet. Es soll eine nicht bewachte Berghütte, mit 6 Plätzen sein, die für ein Minimum von 3 Personen. Die Schlüssel der Berghütte müssen vorab beim IBANAT angefragt werden. Reservierungen der Berghütte “Cúber“ unter der Nummer: (+34) 971 17 76 52

Weitere Informationen zur Berghütte “Cúber“: www.caib.es/sites/M34/es/cuber-22831

Wander- und Reiseführer
Zu empfehlen ist der Mallorca Wanderführer von Rother. Außerdem gibt es vom Bruckmann Verlag einen wunderbaren allgemeinen Familienreiseführer für Mallorca und einen Wanderführer „Wanderspaß mit Kindern Mallorca: 22 erlebnisreiche Touren“ (Taschenbuch  vom 1. April 2016).

Wasserfilter LifeStraw: http://amzn.to/2hJet3u

Wandern auf Mallorca
Wandern auf Mallorca

Wohnmobiltour durch Nordfrankreich Teil 2: Übernachtung im niederländischen Limburg

mit dem wohnmobil in limburg, niederlande

Wie lange soll es eigentlich noch regnen, fragt sich mein Mann? Wir fahren über Aachen in Richtung holländische Grenze und es plattert die ganze Zeit. Mir ist das Wetter gerade piepsegal. So lange wir fahren müssen und noch nicht in Frankreich sind. Aber ab Frankreich soll es bitte schön warm und sonnig sein!

Van harte welkom om de Niederlanden

Die Landschaft sowie auch die Ortschaften in den Niederlanden sehen aus wie geleckt. Jeder Baum scheint genau an dem Ort gewachsen zu sein, der vorher für ihn bestimmt war. In den großen Erdgeschossfenstern der Klinkerreihenhäuser stehen große Vasen, Stehleuchten oder Kerzenständer. Sie erinnern mich an Schaufensterdekoration von schicken Einrichtungsgeschäften. Die kleinen stylisch bepflanzten Vorgärten streben nach Perfektion. Nirgendwo steht ein Kindertrampolin oder eine Schaukel im Garten. Aber dafür wäre auch gar kein Platz. Vielleicht leben hier nur ältere Paare dessen Kinder bereits lange ausgezogen sind, überlege ich, während wir durch die regennassen Straßen gondeln.

mit dem wohnmobil in limburg, niederlande

Holländisch-orientalisches Campen in Limburg

Nach 423 Kilometern und einigen Hektolitern Regen erreichen wir ohne Stau um 19 Uhr den Campingplatz Oriental bei Limburg in Holland. Was an dem Campingplatz so orientalisch sein soll, erschließt sich uns nicht. Tausend und eine Nacht haben wir anders in Erinnerung. Aber sei es drum. Hauptsache wir bekommen noch einen Stellplatz, ohne dass wir reserviert haben. Viel frei war nicht mehr. Wir sind froh eine Nacht zum Bleiben bekommen zu haben. Nach einigen Stunden Fahrerei ist es schön irgendwo anzukommen und sich entspannen zu können. Allerdings kostet uns der Platz inklusive Kurtaxe und Umweltsteuer 40,55 Euro.

Kaum Motor abgestellt, Strom angeschlossen, Wasser aufgetankt und Gas aufgedreht, packen wir auch schon unsere Badetasche. Wie jetzt? Bei dem Regen schwimmen gehen? Ja genau. Es regnet Katzen und Hunde, aber wir gehen baden. Immer noch besser als Fernsehen zu sehen wie die Leute im Vorzelt gegenüber.

Der relativ sterile und uncharmante, weil geradlinig angelegte, Campingplatz nennt nämlich ein Schwimmbad mit 29 Grad Celsius Wassertemperatur mit auf- und zuklappbaren Dach sein eigen. Zum Glück ist das Dach heute geschlossen. Unsere Kinder lechzen nach Bewegung. Schließlich waren sie lange genug in ihren Autositzen angekettet. Die Kleine rutscht unter Papas wachsamen Auge eine Runde nach der anderen auf der Babyrutsche im Kleinkindbecken und die Große und ich versuchen uns einen Weg durch die tobenden und kreischende bebadehoste Menschenmenge zu erschwimmen, ohne dass uns ein Holländer auf den Kopf springt. Mir fallen fast die Ohren ab, so laut ist es in der Halle.

Wir sind die immer noch in der Umkleidekabine als die Reinigungskräfte im Schwimmbad schon längst am Aufräumen sind. Die Kinder sind nach dem Badespaß guter Dinge und spielen friedlich im Wohnmobil während das Abendessen sich nahezu selbst vorbereitet. Der Gasgrill brutzelt unsere Bratwürste während die Kartoffeln auf dem Gasherd gar werden. Warum kompliziert machen, wenn es auch mal einfach geht?

Adressen und weitere Informationen

Camping Oriental
Rijksweg 6
6325 PETER Berg en Terblijt
Holland
www.campingoriental.nl
Info@campingoriental.nl

GPS: 50°51’36“ N 5°46’26″E

Reise- und Etappenführer für Wohnmobilreisen

„Mit dem Wohnmobil durch die Normandie“ (Womo-Reihe), Taschenbuch

„DuMont direkt Reiseführer Normandie“, Taschenbuch,

„Mit dem Wohnmobil nach Nordfrankreich“ (Womo-Reihe), Taschenbuch,

„Tourenführer Frankreichs Norden mit dem Wohnmobil“,

ADAC Campingführer Südeuropa mit herausnehmbarer Planungskarte

ADAC Stellplatzführer Deutschland/Europa mit zwei herausnehmbaren Planungskarten

Etappenführer France Passion

 

Wohnmobiltour durch Nordfrankreich Teil 4: Lille & Lens

Mit dem Wohnmobil nach Lille

Ein Spaziergang durchs Stadtzentrum von Lille

Wir sind in der Präfektur des Départements Nord und der Hauptstadt der Region Hauts-de-France, in Lille, angekommen. Sie liegt nah an der belgischen Grenze und wird daher auch als Hauptstadt von Flandern bezeichnet. ganz schön viele Titel. In der circa 230.000 Eihnwohner Metropole passen wir natürlich mit dem dicken Wohnmobil in kein Parkhaus. Aber wir finden nach einiger Suche in der Nähe des Hauptplatzes „Place du Général de Gaulle“ einen Parkplatz (wieder mit Parkgebühr). Super! Die Sonne scheint und die charmante Stadt, belohnt uns für unser Durchhaltevermögen auf Belgiens Straßen. Selbst meinem kränkelnden Gatten geht es etwas besser. Zumindest kann er einen knallbunten Macaron essen, von denen wir in einem hübschen Laden gleich mehrere kaufen. Macaron ist ein französisches Baisergebäck aus Mandelmehl, das in knallbunten Farben daher kommt und sich auch in Städten wie Berlin mittlerweile zunehmender Beliebtheit erfreut. Nach einer Shoppingattacke mit meiner sechsjährigen Tochter, die meinem Mann zu lange dauert, verputzen wir unser Mittagessen am Brunnen mit der Säule der Göttin auf dem Fußballfeld großen Grand Place bzw. Place Général de Gaulle, der übrigens in Lille am 22.11.1980 geboren wurde. Die Stadt hat ein Museum in seinem Geburtstagshaus eingerichtet, das wir allerdings nicht aufsuchen.

Lille Theater am Hauptplatz "Place du Général de Gaulle"

Wir blicken um uns und können bis auf ein Eckgebäude nur schöne Prachtbauten entdecken. Vor allem die Alte Börse („Vieille Bourse“) hat es uns angetan. In ihrem wunderschönen Innenhof findet jeden Nachmittag bis auf Montags ein kleiner Trödelmarkt statt. Allerdings gibt es dort nach unserem Empfinden eher nur Ramsch.

Kathedrale von Lille

Das Opernhaus eine Ecke weiter ist ein Blickfang. Wir schlendern durch das Vieux-Lille zur Kathedrale von Lille. Auf dem Weg dorthin schlecken die Kinder ihr überteuertes Eis (2,50 Euro pro Kugel!) auf. Die Westfassade der Kathedrale, durch deren Eingang wir das Bauwerk betreten, besteht aus einem durchscheinenden Naturstein, so dass sie von innen wie erleuchtet aussieht.Von außen ist die Kathedrale eine Mischung auf Neugotik und Moderne.

In der Nähe des Altars leuchten einige Kerzen, die unsere zweijährige Tochter an einen Geburtstag erinnert. Wir laufen durch schmale Gassen und an hübschen kleinen individuellen Geschäften zurück in Richtung Wohnmobil. Die Stadt Lille gefällt uns sehr gut. Wir würden gerne länger bleiben, aber unsere zweijährige Tochter und mein immer noch leicht angeschlagener Mann brauchen eine Pause.

Maccarons essen in Lille

Leider befindet sich das berühmte Kunstmuseum „Lille Palais des Beaux-Art“ mit seinen Kunstwerken von Rubens, Picasso oder Goya etwas außerhalb, zumindest für eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Mit dem Auto bzw. Wohnmobil würde es zwölf Minuten bis zum Museum dauern. Auch das für 50.000 Zuschauer in Jahr 2012 eröffnete Sportstadion „Stade Pierre Mauroy“ würde ich mir gerne mal anschauen. Es ist mit der Metro gut zu erreichen. Aber unsere Kleine ist wie gesagt müde und braucht nun ihren verdienten Mittagsschlaf. Diese Zeit nutzen wir lieber um uns einen Stellplatz in der südlich von Lille gelegenen Stadt Lens zu suchen.

Kostenfreier Wohnmobil Stellplatz in Lens

Unser Frittenbuden-Stellplatz in Lens

Hamburger und Frittenduft wehen zu uns herüber. Kein Wunder, denn unser Wohnmobil steht auf einem kostenfreien Stellplatz (Strom und Wasser kann man an einem Automaten beziehen und bezahlen), der sich neben McDonalds befindet. Wie praktisch. Somit ist die Frage zum Thema Nachmittagssnack für unsere Kinder gelöst und obendrein haben wir eine extra Toilette. Eine Portion „Frites petites“ (kleine Portion Pommes frites) reicht um den Hunger der Kinder bis zum Abendessen zu stillen.

Wir haben übrigens den vorletzten der insgesamt sechs Plätze für Wohnmobile belegt, weil es ansonsten in Lens keine weiteren Stellplätze zu geben scheint. Wir sind hier die einzigen Wohnmobilisten aus Deutschland. Die anderen haben französische Kennzeichen. Auf einen Strom- und Wasseranschluss verzichten wir. Unsere Batterie sorgt für Energie für Licht und die Wasserpumpe. Gas ist sowie immer dabei. Unsere zwei elf Kilogramm Gasflaschen sind in einem separaten Gaskasten, den man von außen erreichen kann und würden für fast zwei Monate Kochen und Kühlschrank ausreichen. Momentan verfügen wir über noch eine volle Ersatzflasche. Das wird wohl genügen, so dass wir nicht darauf angewiesen sind eine französische Flasche zu kaufen, die man leer nur in Frankreich wieder zurückgeben kann.

Mit dem Wohnmobil zum Louvre Lens

Der Louvre Lens

Wir machen uns frisch, verbarrikadieren unser Gefährt und laufen am verschlossenen Stadion Félix-Bollaert-Delelis, wo vor etwa zwei Monaten noch die Fußball-Europameisterschaft tobte, in Richtung Louvre vorbei. Ja, richtig, Louvre! Nein, ich habe mich weder verschrieben, noch haben wir uns verfahren. Seit dem 12.12.12 hat der Pariser Louvre einen Ableger in Lens. Auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche wurde für 150 Millionen Euro dieses moderne aus fünf Teilen bestehende Gebäude errichtet. Bereits seit fast vier Jahren will ich dieses Museum besuchen und nun ist der Tag endlich gekommen!

Die riesige gläserne Eingangshalle erinnert uns beim Betreten an ein Flughafenterminal. Unsere Tasche wird durchleuchtet, wir laufen durch einen Detektor. Wir piepen nicht. Aber das auch nur, weil mein Mann in dem proportional zu den Fahrtagen zunehmenden Chaos des Wohnmobils sein Taschenmesser nicht fand. Andernfalls wäre er vermutlich kostenfrei zurück nach Deutschland geschickt worden, weil er es ansonsten in die Hosentasche gesteckt hätte.

Mit Kindern im Louvre Lens

Wir können natürlich mit Kindern nicht lange in einem Museum bleiben und freuen uns deshalb über den kostenfreien Eintritt der ständigen Ausstellung in der „Galerie du Temps“. In einem Kurzabriss werden hier anhand von etwas mehr als 200 Exponaten die drei wichtigen Epochen aus unterschiedlichen Zivilisationen dargestellt. Wir laufen an bunten Sarkophagen, an Reihen von hübschen kleinen türkisen Grabwächtern, an riesigen Gemälden und marmornen Statuen vorbei. Die Informationen zu den Werken sind leider nur auf französisch, englisch und holländisch. Wahrscheinlich kommen deutsche Tourismus prozentual weniger hierher. Egal, ich versuche meiner Großen so gut es geht, etwas zu den sie interessierenden Objekten zu erzählen, was nicht immer einfach ist.

Danach mache ich einen Abstecher in den nebenan liegenden „Pavillon de verre“ (Glaspavillon) um mir die drei Ausstellungsrondelle über den ansässigen Fußballverein Racing Club der Lens (RC Lens) anzusehen. Die Devotionalien sind sehr liebevoll aufbereitet.

Als ich zurück in die Galerie du temps komme, ist unsere Kleine derweil zu neuem Leben erwacht und nutzt die Aluminium verkleidete Ausstellungshalle als Rennstrecke und die am Boden befindlichen Lüftungsgitter (oder was es auch immer sein mag) als Sprungbretter, weil sie so schön scheppern. Es ist Zeit zu gehen, bevor wir rausgeschmissen werden. Doch vorher muss ich noch etwas erledigen! Im Museumsshop gebe ich das beim Eintritt eingesparte Geld wieder aus. Diese Art von Geschäften ist immer gefährlich für mich.

Auf dem Weg in den Louvre Lens
Im Galopp nach Lens Cité

Mit einem so eben erworbenen 50 Zentimeter langen bunten Radiergummiband spielen unsere Kinder Pferdchen. Unsere Kleine wird in „Schneller Blitz“ umgetauft und flitzt ihrem neuen Namen ganz entsprechend nur so durch den schicken Museumsgarten, vorbei am Museumsrestaurant und an den ehemaligen Häusern der Bergarbeiter entlang. Die kleinen Klinkerhäusschen stehen größtenteils leer. Plakate im ersten Stock erzählen auf französisch kurze Geschichten zu ihren ehemaligen Mietern: Die Hausbewohner wurden rausgeschmissen, weil die Häuser demnächst in ein Vier Sterne Hotel umgebaut werden sollen, wie wir von einem Mitarbeiter des Tourismusbüros erfahren. Der junge Mann spricht neben französisch perfekt deutsch und gibt uns mit einem kleinen Handwagen voller Flyer obendrein Ausflugstipps für die Umgebung. Was für ein Service. Ich bin begeistert!

Die Kinder spielen immer noch unermüdlich Pferdchen. Doch auf den Wegen vor dem Stadion liegt so manche Hinterlassenschaft des Fußballspektakels in Form von braunen Glasscherben, so dass wir etwas aufpassen müssen wohin Sie galoppieren. Weil wir Hunger haben und ein paar Lebensmittel brauchen, laufen wir am Stadion und unserem Stellplatz wieder vorbei, durch einen kleinen Park mit angrenzenden herunter gekommenen Tennisplätzen, ins Stadtzentrum von Lens.

Grumm grumm grummmm! Motorradgeheul begrüßt uns als wir uns der Hauptverkehrsstraße nähern. Unsere Kinder stecken sich die Finger in die Ohren. Die Häuser an der Hauptverkehrsstraße sind fast allesamt saniert. Junge Frauen stolzieren auf dem Gehweg. Sie sind nicht so stylisch wie in Lilles, sondern pflegen eher den Berlin Wedding Style.

Trotz der neuen Fassaden und der Geschäfte sieht diese Hauptstraße nicht einladend aus. Ausnahmsweise gehe ich hier mal nicht shoppen. Die meisten Geschäfte, die hier sind, gibt es bei uns auch. Es ist trostlos überall das gleiche einerlei an H&M, Esprit und Zara zu sehen. Nur ein hübscher kleiner Obst- und Gemüsegarten an einer Ecke fällt aus dem Einheitsraster.

ehemalige Bergarbeitersiedlung in LensKurz vor der Kirche links ist das Ziel unseres Begehrens. Ein Carrefour, die Edekaversion von Frankreich. Aber nur ein ganz kleiner. Wir decken uns mit dem nötigsten wie Milch, Butter, Brot, Oliven, Käse, Salat, Wasser, Joghurt und etwas paniertes Huhn für die Kinder ein und schleppen alles zu Fuß wieder zurück. Ich verfluche innerlich meine Neon pinken Ballerinas. Hätten wir doch bloß die Fahrräder genommen. Die Einkaufstasche wird immer schwerer und die Kleine will nur noch getragen werden. Dann fängt auch noch die Große an eifersüchtig auf ihre Schwester zu werden. Durch das Gejammere bekommt die Kleine Mitleid mit ihrer großen Schwester und windet sich mit den Worten „Will trösten“ aus meinen Armen. Während sie ihre große Schwester knuddelt, kommen mir vor Führung fast die Tränen und ich umarme beide. Nun ist die Laune wieder besser.

Kaum im Wohnmobil angekommen fällt der Großen mit Schrecken auf, dass sie ihr neues langes Radiergummiband auf dem Rückweg auf einer Parkbank verloren hat. Oh Graus! Ihr Papa opfert sich und läuft zurück in den Park um es zu holen. Während das Abendessen seine Form annimmt, warten wir auf ihn. Ich sehe meinen Mann schon verzweifelt mit einem französischen Kind beziehungsweise dessen Elternpaar um das dämliche Band ringen. Als er eine gefühlte Ewigkeit immer noch nicht zurück ist, male ich mir aus, dass der Streit aufgrund der nicht vorhandenen französischen Sprachkenntnisse meines Mannes nun zu einem Eklat ausgeartet sein muss. Warum sonst in aller Welt ist er dann noch nicht zurück? Sahen die Leute in dem Park nicht alle etwas gefährlich aus? Deshalb wollte er auch nicht, dass ich das Band suchen gehe… Als ich drauf und dran bin ihn zu suchen, öffnet sich die Wohnmobiltür und herein kommt der Held des Tages. Er steigert die Spannung. Hat er das dämliche Radiergummiband gefunden oder nicht? Er hat! Der Abend ist gerettet. Auch für uns Eltern. Wer schon mal das Drama eines verloren gegangenen neuen Spielzeugs bei seinem Kind erlebt hat, versteht mich.

Heute schlafen die Kinder oben im Alkoven. Meinem Mann geht es etwas besser. Endlich eine ruhige Nacht.

Streetart in Lens

Adressen und weitere Informationen

Lille

Hauptplatz der Stadt mit vielen Cafés und Restaurants und ehrwürdigen Gebäuden aus dem 17. bis 20. Jahrhundert: Grund Place, Place du Général de Gaulle
Metro Linie 1 – Rihour

Kathedrale von Lille
Place Gilleson
59800 Lille

Lille Palais des Beaux-Art
Place de la République
www.pba-lille.fr

Anfahrt: Metro Linie 1, Stadion République

LaM- Lille Métropole museum of modern art, contemporary art and outsider art
Dienstags geschlossen

Pierre-Mauroy Stadium
Anfahrt: Metro Linie 1, Station „4 Canons Stade Pierre-Mauroy“ oder „City Scientifique Pr Gabillard“

Lens

Wohnmobil Stellplatz Lens
Ruhe Maurice Früchte/ Parkinson Bollaert P6
GPS: N 50° 25′ 54.9″ E 02° 49′ 16.3″

  • Platz für sechs Wohnmobile oder mehr am Seitenrand
  • Gebührenfrei, Ver- und Entsorgung am Relais (Strom und Wasser kostet), Mülleimer
  • McDonalds gleich nebenan
  • 10 bis 15 Gehminuten zur Hauptstraße, 10 Minuten bis zum Louvre

Louvre Lens
99 Rue Paul Bert
62300 Lens
www.louvrelens.fr

Eintritt: ständige Ausstellung in der Galerie du Temps ist kostenfrei, die wechselnden Ausstellungen sind kostenpflichtig

Reise- und Etappenführer für Wohnmobilreisen

„Mit dem Wohnmobil nach Nordfrankreich“ (Womo-Reihe), Taschenbuch, 3. Feburuar 2014

„Tourenführer Frankreichs Norden mit dem Wohnmobil“, Broschiert, 23. Februar 2012

ADAC Campingführer Südeuropa 2016: mit herausnehmbarer Planungskarte Gebundene Ausgabe – 7. Januar 2016

Etappenführer France Passion

Wohnmobiltour durch Nordfrankreich Teil 5: Erholung im Naturschutzgebiet Platier d'Oye in der Region Hauts-de-France

Naturschutzgebiet Platier Oye Plage

Nach der Stadtbesichtiging von Lille und Lens zieht es uns nun in die Natur und damit an die Küste. Wir fahren deshalb weiter durch die Region Haute-de-France in nordöstliche Richtung. Am Meer möchten wir nach dem bisherigen Wohnmobilritt mit den Kindern ein paar Tage einfach nur entspannen.

Missgeschick im Küstenort Bray-Dunes-Plages

Die Straßen in Richtung Küste werden voller. Die Dichte an Ferienhäusern mit Namen wie „Chez nous“ nimmt von Kilometer zu Kilometer zu. Wir steuern trotzdem den Campingplatz „Les Dunes“ in Bray-Dunes-Plages an und fahren auf das Gelände. Doch es ist kein einziger Stellplatz mehr frei. Nicht schlimm, denn es gefällt uns hier eh nicht sonderlich.

Rückwärtsgang rein und wieder auf die Straße rollen. Rumbs! Was war das? Das Geräusch kommt von hinten rechts. Mein Mann sitzt am Steuer und flucht. Ich schaue aus dem rückwärtigen Fenster unserer Wohnmobilküche. Wir haben beim Rückwärtsfahren auf der Einfahrtsstraße des Campingplatzes mit der rechten Hinterbacke ein parkendes schwarzes kleines französisches Auto touchiert. Merde! Warum hat die Rückfahrkamera das Auto nicht angezeigt? Vielleicht stand es im toten Winkel? Wir können uns anscheinend doch nicht auf sie verlassen. Ein Teil unseres Rücklichts ist kaputt und ein Dutzend helle Schrammen zieren das schwarze kleine Auto, welches wir gerammt haben.

Was tun? Ich frage die Mademoiselle an der Rezeption des Campingplatzes. Das Autokennzeichen ist auf dem Campingplatz nicht gemeldet. Wir rufen unsere Versicherung an. Die nimmt alles auf und rät uns, die Polizei zu informieren.

Tatütata

Auf Nachfrage nennt mir die Rezeptionistin des Campingplatzes die Telefonnummer der Gendarmerie. Doch wer kommt nach zehn Minuten? Die Feuerwehr. Schnell kläre ich die Verwechslung auf. Mademoiselle hat mir versehentlich die Nummer der Feuerwehr (17) anstatt der 18 für die Gendarmerie genannt. Zum Glück sind die Feuerwehrmänner nicht sauer, dass es einen Fehleralarm für sie gab. Im Gegenteil, erklärt mir der freundliche Feuerwehrmann, er komme lieber zu einem Einsatz, bei dem es allen gut geht.

Uns stinkt’s

Also rufe ich nun die Gendarmerie. Mein Mann und ich wechseln uns mit den Kindern auf dem Spielplatz des Campingplatzes ab. Dort stinkt es bei zunehmenden Temperaturen in der Mittagshitze nach Hundekot, der sich im Sand des Spielplatzes auf dem Campingplatz versteckt. Gut, dass wir hier nicht einchecken konnten. Wir warten eine Stunde. Das Mäuerchen, auf der ich sitze und warte, stinkt wie das Hundepissoir. Wir gehen ins Wohnmobil. Ich rufe erneut bei der Gendarmerie an. Mir wird versichert, dass sie in 15 Minuten kommen würden. Die Rezeptionistin kommt angewackelt und bringt mir die Telefonnummer der Polizei. Danke, hab ich schon längst. Sie fragt, wann wir endlich wegfahren würden. Hoffentlich schnell, antworte ich.

Aidez-nous – Hilfe holt uns hier raus!

Als nach 90 Minuten immer noch weder ein Gendarm noch der andere Autohalter erscheint, die Kinder im Wohnmobil ständig um mich herum wuseln und mein Mann lethargisch aus dem Fenster starrt und es immer wärmer und wärmer im Wohnmobil wird, reisst mir die Hutschnur. Ich hüpfe aus dem Wohnmobil und marschiere entnervt den Campingplatzweg entlang. Ich will zum Meer, das da irgendwo weiter vorne sein muss und überlegen, wie es weitergehen könnte. Aber ich komme nicht bis zum Strand. Was ist, wenn die Gendarmerie gerade in diesem Moment anrückt, sie nur französisch spricht und mein Mann mit ihnen nicht kommunizieren kann? Ich renne zurück, um meine negative Energie loszuwerden. Ich schicke meinen Mann und die Kinder ganz ungalant raus, um sich ein Eis zu holen damit ich beim Warten wenigstens meine Ruhe habe.

Die Familie kommt zurück und bringt mir einen Crêpe mit Schokolade mit. Wie süß. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen weil ich so grantig zu ihnen war. Von der Polizei ist immer noch keine Spur. Ich rufe ich wieder an. Nun wird mir geraten, doch einfach selbst zur örtlichen Gendarmerie am Hauptplatz zu fahren. Super, gerne, warum nicht gleich?

Die Gendarmerie ist von außen kaum zu erkennen. Nur ein Blatt Papier verrät, wer sich hinter der Tür versteckt. Ich versuche die Tür zu öffnen. Sie ist verschlossen. Aber ein großer junger rothaariger Mann mit Sommersprossen und schusssicherer Weste lässt mich nervös hinein. Die Polizeistation sieht eher nach einem Provisorium mit gefliesten Wänden aus. Polizisten in Zivil und mit dunklem Rauschebart schieben sich an mir vorbei und hocken sich hinter ihre Flachbildschirme.

Ich berichte stockend auf Französisch von unserem Missgeschick. Aber der junge Gendarm scheint nicht sonderlich beeindruckt. Ich könne ihm einfach meinen Namen und Telefonnummer auf einen Zettel schreiben und dem anderen Auto ebenfalls einen Zettel hinterlassen. Das wars. War ich wirklich bei der Polizei?

Nachdem wir den Zettel beim geschrammten Auto hinter den vorderen Scheibenwischer geklemmt haben und noch einmal an der Rezeption Bescheid gegeben haben, suchen wir endlich das Weite. Nix wie weg hier. Der Ort gefällt uns nicht. Ein Jahrmarkt mit Ramsch. Zu viele austauschbare Ferienhäuser und zu viele Leute. Adieu!

Mit dem Wohnmobil durch die Region Haute-de-France

Go west: Campingplatz direkt hinter dem Naturschutzgebiet der Gemeinde Oye-Plage

Wir fahren weiter westlich längs zur Nordseeküste und finden in der Région Audruicq Oye-Plage, kurz vor der Stadt namens Gravelines, in der circa 5.000 Seelen Gemeinde Oye-Plage, gleich auf dem ersten von insgesamt drei nebeneinander liegenden Campingplätzen, einen Stellplatz. Der kleine, seit 30 Jahren familienbetriebene Campingplatz Sarl Camping du Casino, gefällt uns. Wir haben Glück, denn es ist der vorletzte Platz für Wohnmobile, der noch frei ist. Wir stehen zwischen aufgebockten mobilen weißen Häusern, die uns an die USA erinnern. Hier sind wir momentan die einzigen ausländischen Gäste. Die meisten sind Residenten älteren Semesters. Aber ein paar Familien mit Kindern gibt es auch. Wir entdecken Geräteschuppen, Geranien vor den mobilen Häusern und auch einen Pizzaofen. Die Dauercamper scheinen ganz neugierig, wer da neues angekommen ist und begrüßen uns freundlich.

Kein Halligalli, kein Pool, kein Restaurant. Stattdessen genügen ein kleines Sanitärgebäude und zwei einfache Spielplätze als Infrastruktur. Wir genießen die Insel der Ruhe. Es wundert uns nicht, dass Oye Plage ursprünglich den Namen „Ogia“ trug, der „Insel“ bedeuten soll, weil das Land um Ogia herum einst vom Meerwasser geflutet wurde.

An der Rezeption können wir bei Bedarf Speiseeis, tiefgekühltes Brot und Miniportionen Nutella oder Marmelade kaufen, die uns aus einer Tiefkühltruhe gereicht werden. Jeden morgen (außer montags) hält ein Lieferwagen mit frischen Baguettes und Croissants neben dem Sanitärgebäude. Die junge Rezeptionistin, die den Platz gemeinsam mit ihrer Mutter leitet, erklärt mir außerdem, dass hier bis zum Jahr 1950 ein Casino stand in dem hauptsächlich Jäger unterkamen. Das klingt ja spannend! Vom Campingplatz aus können wir zu Fuß oder per Fahrrad an den Dünen entlang und zum circa zwei Kilometer entfernten Meer laufen bzw. fahren.

Bereits am hinteren Spielplatz des Campingplatzes vermischt sich der Duft des Salzwassers mit dem würzigen Duft der Sträucher, die im angrenzenden Naturschutzgebiet wachsen. Das ist genau der richtige Ort für uns um nach dem ganzen Sightseeing an- und runterzukommen. Wir bauen zum ersten Mal draußen den Campingtisch und die -stühle auf, die wir ansonsten in der Topbox auf dem Wohnmobildach verstaut haben.

Macht kaputt, was euch kaputt macht

Beim Befestigen der Wäscheleine geht die Armlehne eines Campingstuhls zu Bruch. Schon komisch, dass die Lehne das Gewicht nicht aushält, wundert sich mein Mann…  Nicht nur unser Wohnmobil und Mobiliar werden heute auf ihre Festigkeit getestet. Unsere Kleine haut sich ihre Stirn auf der Wippe des Spielplatzes ein. Kühlakkus aus der Tiefkühötruhe der Campingplatz Rezeption verhindern, dass die Beule zu groß wird. Anschließend verpasst mir die Kleine auf meinem Schoß sitzend mit ihrem wohl geformten Hinterkopf eine blutige Unterlippe. Langsam reicht es mir für heute. Ich schließe mich in unserem Mini-Badezimmer des Wohnmobils ein und heule. Als ich mich beruhigt habe, komme ich wieder raus zu meiner Familie, die mich ganz besorgt anklickt. Der ganz normale Urlaubswahnsinn halt.

Eine abendliche Brise weht um unsere Nasen. Als sich die Brise langsam in Wind verwandelt, gehen wir rein und legen uns schlafen. Bonne nuit.

Meeresschätze sammeln am Strand im Frankreichurlaub

À la plage – am Strand

Zum Frühstück serviere ich Milchnudeln aus der Tüte und würze sie mit Zimt. Zum Glück haben wir ein paar solcher Fertiggerichte für Milchnudeln, Milchreis oder Kaiserschmarrn dabei. Schließlich haben wir gerade heute den arbeitsfreien Tag des Bäckers erwischt.

Gestärkt holen wir unsere Fahrräder vom Fahrradträger. Die Zweijährige kommt in den Kinderfahrradsitz und für die Große haben wir ein eigenes Rad dabei. Los geht’s zum Strand. Wir biegen nach circa 300 Metern an einem Restaurant rechts ab und überqueren einen kleinen sandigen Parkplatz. Von dort aus schieben wir unsere Räder unter einer Holzplanke hindurch in das Naturschutzgebiet. Links neben einem ausgetrockneten Flussbett fahren und schieben wir unsere Räder bis zu einem kleinen Boddensee. Linkerhand befindet sich der Bunker Hutte No. 21, der sich in der Düne versteckt und scheinbar restauriert, aber verschlossen ist.

Hutte Nr. 21 in Oye Plage

Wir fahren am Boddensee rechts vorbei in Richtung Meer. Ein sehr breiter langer Sandstrand liegt uns zu Füßen, der über und über mit Muscheln und toten Krebsen bedeckt ist. Leider liegt auch etwas Müll, wie kleine Plastikteilchen, ein Autoreifen und viele Schrotpatronenhülsen herum. Vorne am Wasser entdecken wir ein paar sandfarbene Kisten, um die sich Vögel zu sammeln scheinen. Doch beim Näherkommen erkennen wir, dass sich Jäger am Strand in kleinen getarnten Unterschlüpfen kauern. Die Vögel sind nur Attrappen, die vermutlich Wildgänse anlocken sollen. Wir drehen lieber ab. Ich möchte nicht riskieren, dass wir entweder eine Kugel abbekommen oder Ärger mit der Bevölkerung riskieren. Die Kinder motivieren wir anstatt der alten Patronenhülsen lieber Muscheln und Krebse zu sammeln. Wer weiß, ob die Patronenhülsen noch gefährlich sind? Auf dem Rückweg, beim Wickeln der Kleinen in den Dünen, hören wir Schüsse. Seltsam, dass das Jagen im Naturschutzgebiet möglich ist.

Schiefer Turm Kreigsrelikt in Nordfrankreich

Eine Region mit einer brutalen Geschichte

„Mama, Papa, was ist das für ein Turm?“, fragt unsere Tochter. Nachdem wir uns im Carrefour Supermarkt im Centre Ville (Stadtzentrum) von Oye-Plage mit Lebensmitteln eingedeckt, alles im Minikühlschrank des Wohnmobils verstaut haben und die Kleine etwas schlummern konnte, sind wir per Rad unterwegs zu einem anderen Strandabschnitt, als sich uns rechterhand plötzlich ein gigantischer schiefer Turm, der Tour Penchée, mit bedrohlichen Schlitzen entgegen beugt. Seine Spitze erinnert an einen Ritterhelm.

Traurige Relikte zweier Weltkriege

An der Grenze zu Belgien gelegen, haben in dieser Region vor 100 Jahren, beim „grand guerre“ (der 1. Weltkrieg wird hier der „große Krieg“ genannt) furchtbare Schlachten zwischen England und Frankreich sowie Deutschland stattgefunden. Wir treffen auch immer wieder auf Betonkollosse. Bunker aus dem 2. Weltkrieg, die aus den Wiesen wie die hässlichen kleinen Brüder des schiefen Turms von Pisa hervorragen oder sich hinter Buschwerk verschämt weg ducken, aber doch nicht zu übersehen sind. Nur wenige Meter weiter sitzt Grandmère vor ihrem Wochenendbungalow, häkelt und die Pferde grasen. Ein frisch gemähter grüner Rasen und Apfelbäume drum herum. Eine Idylle. Wären da nicht diese brutalen Betonklötze aus denen Eisenstäbe hervorstechen. Die Bunker sind oftmals frei zugänglich und begehbar. In Teilen mancher Bunker liegt Pferdemist oder sie sind zu Toiletten umgebaut. Krieg ist scheiße, diese Umfunktion passt doch ganz gut.

An die immens hohen menschlichen Verluste dieser vom Krieg gebeutelten Region erinnern außerdem eine Vielzahl an Kriegsdenkmälern der beteiligten Nationen. Noch heute finden dort regelmäßig Gedenkveranstaltungen statt. Ich betone dies, da man an diesem Thema in der Region nicht vorbei kommt. Das ist auch gut so damit es nicht in Vergessenheit gerät. Außerdem hat leider dieser furchtbare Teil der Geschichte maßgeblich mit unserem Herkunftsland zu tun.

Und ebenfalls leider gibt es noch immer gewisse, diplomatisch ausgedrückt, verwirrte junge Personen ohne Haare auf dem Kopf und mit schwarzen Londsdale T-Shirt bekleidet, die mit ihrem Auto aus Deutschland hierher kommen und sich diese Kriegshinterlassenschaften mit einem krankhaften Pathos ansehen. Bei dem Anblick, der mich beim vorbei fahren ereilte, bekomme ich Würgereize. Die Bunker erinnern mich daran, zu welchen Gräueltaten Menschen in der Lage sind. Es ist nicht einfach unserer sechsjährigen Tochter deren Funktion zu erklären ohne ihr nächtliche Alpträume zu bereiten. Aber Kinder, und unsere Tochter insbesondere, haben ein Öhrchen dafür, wenn man ihnen etwas verschweigt. Je simpler und damit auch direkter ich die Kriege erkläre, desto brutaler klingt es in meinen Ohren. Aber sie nimmt es so hin. Die Nachrichten, die sie manchmal im Radio Zuhause oder im Auto mitbekommt, sind für sie scheinbar schwieriger zu verarbeiten.

Die Geschichte wirkt sich bei einigen Menschen offensichtlich in die entgegen gesetzte Richtung als bei mir aus. An welcher Stelle sind die Glatzköpfe falsch abgebogen, frage ich mich? Hoffentlich finden sie bald wieder den Weg zurück zu Toleranz und Menschlichkeit. Das war das Wort zum Sonntag (obwohl heute ein anderer Wochentag ist). Sorry, aber das ging nicht anders.

Drachensteigen am Strand in Nordfrankreich

99 Drachen auf ihrem Weg zum Horizont

Gegenüber eines Stellplatzes für Wohnmobile schließen wir unser Räder auf einem Parkplatz vor dem Maison des Dunes an und laufen rechts an einem Feld entlang. Linkerhand tauchen wir in ein kleines Wäldchen ein und erreichen einen Tierbeobachtungsunterstand. Genügsame zottelige Galloway-Rinder starren uns entgegen.

Rundweg im Naturschutzgebiet Platier Oye Plage

Von nun an schlängelt sich der Weg wie ein Labyrinth durch das dichte von Himbeer- und Sanddornsträuchern und niedrigen Bäumen bewachsene, von Ornithologiebegeisterten beliebte Naturschutzgebiet Platier d’Oye. Hier sollen Stelzvögel, Regenpfeier wie Säbelschnäbler oder Austernfischer, Taucher, Gänse, Enten, Sperlinge leben und mit etwas Glück beobachtet werden. Wir fühlen uns wie die Ritter in Dornröschens Märchenwald als wir weiter unter den Dornentunneln hindurch gehen. Mein Mann muss sich mit unserer Kleinen auf den Schultern ducken damit sie vm spitzen Gewächs nicht zerkratzt wird.

Nach dem sandigen Rundweg erreichen wir die Dünenlandschaft und entdecken ein dort illegal zeltendes Paar. Hunde müssen hier laut Beschilderung angelehnt werden damit sie die brütenden Vögel nicht verschrecken und diese menschlichen Störenfriede scheren sich nicht um die Tiere und zertrampeln die Vegetation.

breiter Sandstrand an der französischen Nordseeküste

Der Wind zerrt an unserer Kleidung, sobald wir am breiten Sandstrand ankommen. Das Meer ist immer noch weit weg. Rechts von uns müssen Gravelines sowie Dunkerque und links Calais liegen. Doch von diesen Städten können wir jetzt nichts wahrnehmen. Die Druckbehälter des leistungsstärksten Kernkraftwerks Frankreichs, das bei Gravelines liegt, sind jedoch auch von weitem zu erkennen. Das ist das einzige was die Idylle hier trübt.

Der Wind zerrt an meinem Sonnenhut. Zum Glück haben wir alle Jacken dabei. denn trotz Sonnenscheins frischt es durch den Wind am Meer ganz schön auf. Unsere Große, die Kleine und mein Mann freuen sich! Endlich genug Wind für ihren Drachen. Nach einigen Fehlversuchen gelingt es meinen drei Piloten den Drachen in die Vertikale zu katapultieren. Ein Lenkdrache wäre jetzt optimal, aber für den Augenblick muss unser einfaches Exemplar genügen. Immer länger wird die Drachenschnur, bis wir mit den Füßen in den flach auslaufenden Wellen stehen. Das Wasser ist nicht so kalt wie vermutet. Eine Familie badet sogar und springt immer wieder jubelnd hinein. Chapeau!

Where’s my Baby gone?

Zurück auf dem Campingplatz. Während wir die Fahrräder wieder auf die Rückseite des Wohnmobils fesseln, fangen die Kinder an zu spielen. Als wir unsere Zweiräder fertig verstaut haben, stimmt etwas nicht. Wo ist unsere Kleine? Die große Schwester schaut mich ratlos an. Wir suchen den Campingplatz ab. Am Spielplatz, unter  den Mobiles Homes und auf der Straße ist sie nicht. Bei den Nachbarn auch nicht. Aber sie suchen „une petite fille avec des cheveaux blonde et des yeux bleues“ mit. Wir sind in heller Aufruhr. Ein Alptraum. Ich muss an die Familie denken, deren Tochter im Portugalurlaub vermutlich entführt wurde. Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Der Campingplatz ist doch so winzig! Da kann  sie doch nicht so einfach verschwinden!

Nach einer gefühlten Ewigkeit hören wir in der Nähe unseres Wohnmobils ein leises Kichern. Und wer guckt plötzlich hinter dem Baum hervor? Unsere Kleine. Die Freude und Erleichterung ist natürlich so groß, dass ihr niemand böse sein kann.

mit den Füßen im Ärmelkanal

Adressen und weitere Informationen

Sarl Camping du Casino
237, Route des Dunes
62215 Oye-Plage

www.campingducasino.fr

Info@campingducasino.fr

Tel: 03 21 85 83 05
Achtung: Kartenzahlung nicht möglich

Weitere Campingplätze direkt nebenan: Clairette und Les Dunes

Stellplatz in der Umgebung: in circa 600 Meter Entfernung ist direkt an der Straße ein Stellplatz (ohne Schatten)

Parkmöglichkeiten um zum Strand zu kommen: Gegenüber vom oben genannten Stellplatz, beim Maison des Dunes (nicht für Wohnmobile geeignet da Schranke nur Wagen bis zu einer Höhe von 2,20 Meter reinlässt) oder circa 300 Meter vor dem Campingplatz du Casino vor dem Restaurant.

La réserve naturelle, Le Platier d’Oye: oye-plage.fr/decouvrir/la-reserve-naturelle-le-platier-doye

 

Reise- und Etappenführer für Wohnmobilreisen

„Mit dem Wohnmobil nach Nordfrankreich“ (Womo-Reihe), Taschenbuch, 3. Feburuar 2014

„Tourenführer Frankreichs Norden mit dem Wohnmobil“, Broschiert, 23. Februar 2012

ADAC Campingführer Südeuropa 2016: mit herausnehmbarer Planungskarte Gebundene Ausgabe – 7. Januar 2016

Etappenführer France Passion

 

Wohnmobilreise mit Kindern durch Nordfrankreich

Wohnmobiltour durch Nordfrankreich Teil 6a: Radtour in der Region Hauts-de-France

Gravelines Wassergraben im Nordwesten

Vormittags ist es endlich wieder windstill. Wie angenehm! Nachts hat es in Oye-Plage ganz schön gestürmt. Die Bäumchen des Camingplatzes du Casino wurden ziemlich durchgerüttelt. Wir genießen die Ruhe und relaxen bis zum Nachmittag unter der Wohnmobilmarkise auf dem Campingplatz. Die Große bastelt und denkt sich Kartenspiele aus und gerät in einen richtigen Spiel-Flow. Dann ist sie komplett in ihrer Welt und bekommt von der Außenwelt nichts mehr mit. Sie dabei zu beobachten und ihr zuzuhören, finden wir sehr rührend. Aber irgendwann taucht sie wieder aus ihrer Fantasiewelt auf und fragt, was wir nun neues unternehmen könnten.

Bunkeranlage in der Region Haute-de-France bei Grand-Fort-Philippe

Wir machen uns per Rad auf in die nahe gelegene Stadt Gravelines, die uns die französischen Camper beim gemeinsamen Abspülen des Geschirrs wärmstens empfohlen haben. Gravelines liegt zwei Kilometer vom Meer entfernt und direkt westlich von Dunkerque. Die 11.000 Einwohner zählende Stadt ist von Oye Plage nur circa 8 Kilometer entfernt und soll eine schöne Altstadt bieten.
Strampel, ächz. Wir radeln östlich der Küste die Route des Dunes entlang. Mit steigender Landtemperatur hat der Wind am Nachmittag wieder zugenommen und bläst uns auf der Landstraße entgegen. Zum Glück ist die Strecke aber stets flach. Auf einem hügeligen Feld linkerhand sehen wir einen Mann nach militärischen Hinterlassenschaften suchen. Was für ein Hobby!

Kurz nach einem mehrstöckigen orange-roten Appartementhaus tauchen links wieder große Bunkeranlagen auf. Wie muss das für die Bewohner des Hauses sein, wenn sie tagtäglich von ihrem Küchenfenster auf diese kriegerische Architektur blicken müssen?

Grand-Fort-Philippe Museum am Fluss Aa

Grand-Fort-Philippe

Wir kommen an weiteren Campingplätzen und einem Wohnmobil Stellplatz vorbei und gelangen dann in den im Jahr 1888 von Gravelines unabhängig gewordenen Fischerort Grand-Fort-Philippe. Wir sehen von weitem den Leuchtturm (le Phare de Petit-Fort-Philippe) Am breiten Strand von Petit-Fort-Philippe vor uns ist Halligalli. Die etwa 5.300 Grand-Fort-Philippois (so werden die Einwohner genannt) und die Touristen amüsieren sich prächtig. Sogar ein Rummelplatz findet sich dort. Die Straße Avenue du Calvaire führt uns rechts am Hafenbecken des Flusses Aa entlang, der linkerhand von uns aus betrachtet in die Nordsee bzw. in den Ärmelkanal mündet. Die Aa stellte früher einmal Zeit die Grenze zwischen Frankreich und der Grafschaft Flandern dar.
Die Ebbe hat in dem ehenaligen Grenzfluss einen versenkten Einkaufswagen freigelegt. Auf einem schmalen Weg fahren wir vorsichtig weiter, denn links von uns geht es steil abwärts zum Fluss. Das bereits von weitem erkennbare Musée de la Mer et du Sauvetage (Meeresmuseum) hat leider heute geschlossen. Schade, denn seine Lage und die Architektur sehen vielversprechend aus.

Stadtmauer und -tor von Gravelines in Nordfrankreich

Gravelines

Nach circa zwei Kilometern erreichen wir den Seglerhafen der Stadt. Die Jachten sind an Stegen festgemacht, die sich bei Ebbe absenken und bei Flut entsprechend wieder hoch bewegen. Gleich am Sportboohafen befindet sich ein ganz hübscher Wohnmobil-Stellplatz
In der Nähe, kurz vor einem Lidl Supermarkt, entdecken wir eine Art Freilichtmuseum, wo ein historische Segelschiff des 17. Jahrhunderts, die „Jean Bart“ (nach dem berühmten flandrischen Freibeuter – also einem Piraten! – benannt) seit 2002 von einem Verein in Originalgröße nachgebaut wird. Von außen können wir nur deren oberen Teil des 57 Meter langen Schiffs sehen, weil der Rest des Schiffs durch Planen und Zäune abgeschirmt ist. Wer die komplette historische Bauweise bewundern möchte, kann in der nebenan befindlichen Taverne und Shop 7 Euro Eintritt bezahlen (siehe Association TOURVILLE bei Adressen und weitere Informationen). Neben dem Schiff wurde ein historisches Dorf nachgebaut.

Die am Meer liegende Stadt Gravelines wurde im 12. Jahrhundert das erste mal erwähnt und war die erste flämische Küstenstadt, die die Grenze zwischen dem Königreich Frankreich und der Grafschaft Flandern bildete. Heute spüren wir nichts mehr davon, dass Gravelines in See- und Landschlachten hart umkämpft war, so friedlich liegt die Stadt heute da. Die Festungsanlagen des Festungsbaumeisters Monsieur Vauban verraten jedoch die militärische Vergangenheit der ehemaligen Garnisionsstadt. Und genau in diesen von Festaungsmauern umgebenen Teil der Stadt wollen wir nun durch eines der Stadttore über die Rue Salomé bzw. Rue de Calais eintreten bzw. hinein radeln.

Rummel in Gravelines

Wir passieren eine beblümte Brücke der von Kanälen umgebenen Stadt und radeln hinein. Elektroboote tuckern die zackig um die Stadtmauer verlaufenden Wassergräben herum. Auch eine schöne Art, Gravelines zu besichtigen.
Tüddellü, glitzer, boing, blink. Die Kinder Augen leuchten. Auch hier ist auf dem Hauptplatz „Place Charles ValentinRummel. Allerdings sind nur wenige Leute unterwegs. Dieses kunterbunte Rambazamba ist natürlich der Hit für unsere Kinder und wir spendieren ihnen ein paar Runden auf dem Karussell während wir einen Crêpes mit Schokolade verputzen.

Garten in Gravelines

Heul, schrei, schluchz, wälzen auf dem Boden. Die Karussellfahrt ist fini. Ich schleppe unsere tobende Zweijährige vom Platz und links vor dem Turm „Beffroi“ vorbei, die Rue de Clarisses und Rue de Belvédère, zur Festungsanlage. Die friedliche Atmosphäre wirkt sich erfreulicherweise auf die Kinderseele aus. Wir schlendern noch ein wenig durch die sehenswerte Altstadt und an kleinen Geschäften vorbei bevor wir uns auf die Räder setzen und durch den hübschen Torbogen hindurch gondeln. Hier bei dem Musée du Dessin et de l’Estampe Originale eröffnet sich uns ein wunderschöner Skulpturengarten mit Zierbäumen und Rosenspalieren unter denen die Jugendlichen abhängen. Die meisten sind mit ihren Handys beschäftigt. Machen Sie vielleicht einen Ausflug und nutzen eine spezielle App der Stadt? Oder spielen sie nur Pokemon? Je ne sais pas. Ein Museum gibt es auch hier. Aber mit den Kindern ist ein Besuch gearde leider nicht zu machen. Schade, denn das Museum befindet sich in einem ehemaligen großen Pulvermagazin aus dem Jahr 1742.

Auf dem Rückweg genießen wir den Rückenwind und sind im Nu zurück auf unserem Campingplatz. Wir holen die vom Wind trocken gepustete Wäsche von der Leine und bereiten den Fisch sowie die Gemüsespieße für den Gasgrill vor. Morgen wollen wir mit dem Wohnmobil gen Westen weiterfahren…

Wohnmobiltour durch Frankreich Abendessen

Adressen und weitere Informationen

Camping und Freizeit

Touristinfo Gravelines
2, rue Léon Blum
59820 Gravelines
Tel: 03 28 51 94 00

contact@gravelinestourisme.fr

www.tourisme-gravelines.fr/fr/office-de-tourisme/#graveline

Musée de la Mer et du Sauvetage (Meeresmuseum)

www.tourisme-gravelines.fr/fr/decouvrir/lieux-dexpo-et-reconstitutions/musees-mer-sauvetage

Musée du Dessin et de l’Estampe Originale
Château Arsenal
59820 Gravelines

www.ville-gravelines.fr

Association TOURVILLE
Route de Calais
59820 Gravelines

www.tourville.asso.fr

Reise- und Etappenführer für Wohnmobilreisen

„Mit dem Wohnmobil nach Nordfrankreich“ (Womo-Reihe), Taschenbuch, 3. Feburuar 2014

„Tourenführer Frankreichs Norden mit dem Wohnmobil“, Broschiert, 23. Februar 2012
ADAC Campingführer Südeuropa 2016: mit herausnehmbarer Planungskarte Gebundene Ausgabe – 7. Januar 2016

Etappenführer France Passion